Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

235 3 Richtungen, Strömungen, Schulen Philosophische Vereinsbildungen scheinen eine seltsame Sache zu sein, und doch gibt es sie. Neben Gruppenbildungen mit strengen Richtlinien und Glaubenssätzen sind dies aber oft sehr lose Zusammenschlüsse, teils über weite Distanzen und ohne persönliche Bekanntschaft, nur auf Basis geteilter Grundannahmen und Überlegungen. Man könnte auch von Diskussionsforen und Interessensgemeinschaften sprechen. 3.1 Viele Fragen, viele Meinungen, viele Wege Sie erinnern sich bestimmt noch an die vier Fragen, die Kant für die zentralen philosophischen Fragen gehalten hat. Wer sich mit ihnen beschäftigt, versucht eine sehr weitreichende Sicht der Welt und des Menschen zu gewinnen. Schließlich geht es nicht allein um Erkenntnisse, sondern auch um die Frage, wie ein geglücktes Leben aussehen kann, wie Menschen auf vernünftige Weise miteinander auskommen können und was sie als Menschen überhaupt ausmacht oder ausmachen soll. Dass diese Fragen nicht abschließend und für alle Zeiten verbindlich beantwortet werden können, dürfte klar sein. Schon allein die Art und Weise, mit ihnen umzugehen hängt stark auch vom kulturellen und sozialen Umfeld der Fragenden ab, ganz allgemein von den historischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie sich bewegen. Gerade bewusst denkende Menschen sind deshalb gut beraten, sich der Vorläufigkeit ihrer Erkenntnisse bewusst zu bleiben. Platons Sokrates und seiner Hebammenkunst (Maieutik) sind wir bereits begegnet. Als konsequent Suchender und Forschender bekundete Sokrates gerne, dass er es immerhin wisse, wenn er etwas nicht wisse. GrundlaGen Sokrates (vermutlich 469–399 v. Chr.); bedeutender Philosoph aus Athen; wegen Asebie (gr. asébeia , „Gottlosig­ keit“) und Verführung der Jugend hingerichtet. Da er keine Schriften hinterlassen hat, wissen wir von ihm nur aus den Darstellungen anderer, vor allem seines Schülers Platon. Was davon dem historischen Sokrates zugeschrieben werden kann und was von Platon selber stammt, ist nicht entscheidbar. Deshalb empfiehlt es sich zu bedenken, dass Sokrates aus den Schriften Platons so spricht, wie Platon ihn gesehen, vielleicht auch seinen eigenen philosophischen und schriftstellerischen Bedürfnissen angepasst hat. Er ist insofern Platons Sokrates. Das Bild zeigt eine um 60–80 n. Chr. entstandene Wand­ malerei aus Ephesos. úú Kapitel 6.1.3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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