Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

239 3.3 Philosophische Ideologiekritik Philosophische Ideologiekritik ist grundsätzlich Vorurteilskritik. In diesem Sinne wurde sie vor allem von den Philosophen der Aufklärung betrieben. Ausdrücklich ist von Kritik der Ideologie wohl erstmals bei Karl Marx die Rede. In einem Manuskript mit dem Titel „Die deutsche Ideologie“ (1845/46) befasste er sich besonders intensiv mit dem Thema. Ideologie bezeichnet bei Marx die Summe „falscher Vorstellungen“, die sich „die Menschen über sich selbst“ gemacht hätten. Denn Ideen, Vorstellungen, Bewusstsein, all dies sei nur der Überbau einer materiellen Basis , die abhängig sei von den konkre- ten Produktionsverhältnissen und dabei wiederum vom Eigentum an Produktionsmit- teln. Wer darüber verfüge, gestalte auch die Vorstellungswelten, und wer aus diesen nicht ausbreche, verfüge über ein falsches Bewusstsein . Dieses aufzuzeigen sei primäre Aufgabe der Ideologiekritik. Die „Nebelbildungen im Gehirn der Menschen“, die Ideologien „Religion, Moral, Metaphysik“, aufzulösen sei das Ziel einer zukunftswei- senden Befreiungsarbeit, die letzten Endes zum Ende der herrschenden Verhältnisse führen würde. Diese Sicht der Dinge sei hingegen nicht ideologisch, sondern Teil eines Wissenschaftlichen Sozialismus. Nun ist gerade Marx’ Sicht der Dinge, vielleicht aufgrund irriger Umsetzung durch einige seiner Anhänger, vielleicht aber auch wegen eigener Defizite, selbst längst unter Ideologieverdacht geraten. Neuere Ideologiekritik, etwa aus dem Umfeld des Logischen Empirismus oder der Analytischen Philosophie , zielte gerade auch auf den Marxismus bzw. einige seiner Ausformungen. Der Sozialphilosoph Ernst Topitsch etwa wandte sich kritisch dagegen, Weltanschauungen , denen er prinzipiell sinnstiftende Funktion zusprach, den Status von Wissenschaften zuzusprechen. Karl Popper wiederum warf Marx vor, eher Glaubenssätze entwickelt als Einsichten erarbeitet zu haben. Als Wiener Kreis wird eine Gruppe von Wissenschaftstheoretikern und Philosophen um den Logiker Moritz Schlick bezeichnet, die sich ab 1922 in regelmäßigen Abständen traf. Ihre Mitglieder vertraten ein Wissenschaftsverständnis, das als Logischer Empiris- mus bezeichnet wird. Eines seiner wichtigsten Ziele bestand darin, Methoden zu entwickeln, nach denen wissenschaftliche und philosophische Aussagen als gültig oder ungültig bewertet werden können. Bezugnahmen auf Kategorien, die außerhalb von Logik und Wahrnehmungsmöglichkeiten lagen (Metaphysik), sollten hingegen nicht erfolgen. Dem Wiener Kreis gehörten unter anderem die Philosophen und Mathematiker Rudolf Carnap und Otto Neurath an. Andere, wie Ludwig Wittgenstein, Bertrand Russell oder Alfred Tarski standen in regem Kontakt mit ihm. Jüngere Wissenschaftstheoretiker wie Popper ließen sich von den dort vertretenen Theorien anregen. Nachdem Moritz Schlick 1936 von einem seiner ehemaligen Studenten ermordet worden war, löste sich der Wiener Kreis auf. Wenig später mussten die meisten seiner Vertreter aus Öster- reich fliehen: Die Nationalsozialisten standen nicht nur dem Logischen Empirismus feindselig gegenüber; viele seiner Vertreter galten zudem als Juden und wurden verfolgt. In den USA und in Großbritannien entwickelte sich aus dem Logischen Empirismus die Analytische Philosophie . GrundlaGen Weltanschauung Sammelbegriff für die Gesamtheit von Wertungen und Weltdeutungen einer Person oder Gruppe. In den 1920er und 1930erJahren wurde der Begriff politisch instrumentalisiert, vor allem durch die Nationalsozialisten. Sie verstanden ihn im Sinne einer Entscheidung für eine ideologische Weltsicht, die endgültig sein sollte. Im heute gängigen Wortschatz ist der Begriff in seiner ursprünglichen, eher unspezifischen Form enthalten. Eine kurze Einführung Eine kurze Einführung 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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