Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
240 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Welche Probleme sehen Sie bei der Ideologiekritik von Karl Marx? Inwiefern läuft seine Argumentation Gefahr, selbst ideologisch zu werden? Formulieren Sie Ihre Überlegungen schriftlich! Ganz im Gegensatz zur deutschen Philosophie, welche vom Himmel auf die Erde herabsteigt, wird hier von der Erde zum Himmel gestiegen. D. h., es wird nicht ausgegangen von dem, was die Menschen sagen, sich einbilden, sich vorstellen, auch nicht von den gesagten, gedachten, eingebildeten, vorgestellten Menschen […]; es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirk- lichen Lebensprozeß auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt. Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Men- schen sind notwendig Supplemente ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses. Karl Marx: Deutsche Ideologie, 1. Bd. I. A. S. 1. Marx geht also von der Nachrangigkeit aller gedanklichen Prozesse aus. Er wendet sich damit insbesondere gegen die in Deutschland und namentlich in Preußen um 1840 sehr einflussreiche Philosophie Hegels, die er „vom Kopf auf die Füße stellen“ möchte. Die „ideologischen Reflexe“ des tätigen Lebensprozesses gelte es aufzulösen; eben darin liegt ein erstes Ziel von Marx’ Ideologiekritik. Heute ist von Ideologiekritik nicht mehr sehr häufig die Rede. Fast scheint es, als wäre dieses Konzept, wie auch immer konkret verstanden, mit den großen ideologischen Konflikten des 19. und 20. Jahrhunderts zu Ende gegangen. Zu heikel ist es vielleicht auch, Ideologien von Nicht-Ideologien unterscheiden zu wollen. Wie wir gesehen haben, wurde manche Ideologiekritik selbst als ideologiehaltig kritisiert. Wohl aber gibt es auch heute philosophische oder politiktheoretische Kritik von vereinfachend verallgemeinernden Weltbildern und vereinseitigenden Sichtweisen, die als selbstver- ständlich oder naturgegeben ausgerufen werden. Dazu gehören eurozentrische und androzentrische Weltbilder. Die Kritik an ihnen tritt das Erbe aufklärerischer Vorurteils- kritik an, wenn sie Fragen nach den Voraussetzungen aufwirft, die jeweils gemacht werden. Einer androzentrischen Position, also einer solchen, die ein bestimmtes Konzept von Männlichkeit zum Maß des Menschlichen macht, kann nicht nur sträfli- che Vereinseitigung vorgeworfen werden, sondern zudem Ignoranz der eigenen Voraussetzungen. Was ist überhaupt männlich, was weiblich? Handelt es sich um naturgegebene Dispositionen oder nicht doch eher um soziale Konstrukte, die deshalb nicht hinterfragt werden, weil sich in ihnen Machtverhältnisse wohnlich eingerichtet haben, die jene ungern aufgeben, die von ihnen profitieren? Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Gruppen und finden Sie weitere Beispiele für Weltbilder, die heute das Denken und Handeln von Menschen bestimmen und einer Vorurteilskritik unterzogen werden müssten! Diskutieren Sie Ihre Ergebnisse dann gemeinsam! 1 t ausFüHrunG Karl Marx (1818–1883) úú Kapitel 6.3.4 VerTieFunG 2 r Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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