Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
242 völlig verbirgt. Die physische Welt ist lediglich eine Welt der Erscheinungen, die teils bestätigt, was anderswo geschieht, und ansonsten sogar nichtig ist. Metaphysische Ansätze laufen Gefahr, in religiöse oder quasireligiöse Sphären überzugleiten. Damit geben sie allerdings unter Umständen den kritischen Anspruch von Philosophie auf und begeben sich in die Welt der Glaubensgewissheiten oder der Ideologie. Beides ist aus philosophischer Perspektive höchst unbefriedigend. Aller- dings ist diese Entwicklung nicht zwingend, und eine Gefährdung muss nicht schla- gend werden. Es liegt an den Vertreterinnen/Vertretern metaphysischer Positionen, ob sie in der Sphäre der Philosophie verbleiben oder in eine andere überwechseln. Waren metaphysische Sichtweisen in früheren Jahrhunderten innerhalb der europäi- schen Philosophie sehr einflussreich, so ist dieser Einfluss seit dem späten 19. Jahrhundert stetig zurückgegangen. Zwar gibt es an vielen Universitäten mit philoso- phischen Instituten noch Lehrstühle für Metaphysik, doch stehen ihr die meisten philosophischen Richtungen und Schulen, die heute Einfluss ausüben, eher distanziert gegenüber. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Ist ein metaphysisches Denken Ihrer Ansicht nach in der heutigen Welt möglich? Finden Sie Argumente für Ihre Einstellung und diskutieren Sie gemeinsam darüber! 3.5 Metaphysikkritik Vor allem viele Philosophen der Aufklärung wandten sich kritisch von metaphysischen Zugängen und Fragestellungen ab. In gewisser Weise hat es den Anschein, als wäre die Geschichte der neueren europäischen und nordamerikanischen Philosophie eine der zunehmend stärker werdenden Abgrenzung von metaphysischen Modellen. Freilich deckt diese Sicht der Dinge nur einen bestimmten Aspekt ab, allerdings keinen unwichtigen. Großen Einfluss hatte ohne Zweifel die Metaphysikkritik Immanuel Kants. Kant blieb zwar begrifflich innerhalb des metaphysischen Sprachgebrauchs und strebte keine gänzliche Verabschiedung der Metaphysik an. Sie sollte aber ihre Ansprüche und Schwerpunkte verlagern. Anstatt metaphysische Wesenheiten erkennen zu wollen, sollte sie sich auf die menschlichen Erkenntnismittel konzentrieren. Hier ist vor allem Kants nach wie vor aktuelle Sichtweise zu betonen, dass nicht Objekte (gedacht war dabei an physische) menschliche Erkenntnis bestimmen, sondern unsere Erkenntnis- möglichkeiten über die wahrgenommenen Gegenstände entscheiden. Die Metaphysik solle daher die Arten und Weisen menschlicher Erkenntnis sowie deren Voraussetzun- gen (Zeit und Raum, für Kant Anschauungsformen a priori ) in den Blick nehmen. Aufzugeben seien altgewohnte Gewissheiten wie die der Existenz menschlicher Freiheit , von der man allerdings so tun müsse, als ob es sie gebe, weil man anders nicht handeln könne. Kant spricht in diesem Zusammenhang von regulativen Hypothe- sen der Vernunft , die an die Stelle nicht erreichbarer Gewissheiten treten. VerTieFunG 2 t GrundlaGen Nur z Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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