Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
243 Als extremer Gegenentwurf zu metaphysischen Ansätzen können materialistische Positionen gelten, die jede Erkenntnismöglichkeit allein auf die physische Welt beziehen. Sie fanden auch in den modernen Naturwissenschaften großen Anklang und haben vor allem im angelsächsischen Sprachraum großen Einfluss genommen. Für Philosophen wie Thomas Hobbes oder David Hume konnte nur die sinnlich erfahrbare Welt, mit empirischen Mitteln erschlossen, Gegenstand wissenschaftlicher und philosophischer Untersuchungen sein. Doch nicht nur Metaphysiker waren teils sehr optimistisch, wenn es um die Frage ging, wie weit Erkenntnis überhaupt reichen kann. Auch ihre materialistischen Kritiker strebten vielfach ein abschließendes Wissen über die Welt, in diesem Fall die physi- sche, an. Es ging um wahre Erkenntnis. Die Wirklichkeit sollte in Sätzen (Aussagen), mit denen man über sie sprach, abgebildet werden. Im Rahmen des Logischen Empirismus , einer wichtigen wissenschaftstheoretischen Richtung des frühen 20. Jahrhunderts, wurde unter anderem von Protokollsätzen gesprochen, die einfache Sachverhalte sprachlich abbilden sollten. Zur Kritik am Logischen Empirismus hat beispielsweise Karl Popper wichtige Beiträge geliefert. Er wies etwa darauf hin, dass alles, was wir sagen, viele Voraussetzungen hat, die nichts mit dem zu tun haben, wovon wir gerade sprechen. Wenn ich etwa sage: „Hier steht ein Glas Wasser“, so ist das keine simple Aussage, die einen Gegen- stand einfängt, sondern ein Satz, der viele Vorannahmen einschließt. Wenn ich derlei sage, habe ich bestimmte Vorstellungen über Raum und Zeit (hier … steht) , physikali- sche und chemische Konsistenz von Dingen (Glas, Wasser) und über deren zutref- fende Bezeichnung. Die Ausläufer der Analytischen Philosophie, wie sie etwa Popper vertritt, stehen gewissermaßen in der Tradition jener differenzierten Metaphysikkritik, die wir bei Kant angetroffen haben. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Was hat die Metaphysikkritik Kants mit derjenigen Poppers gemeinsam? Notieren Sie Ihre Ergebnisse! Hierin liegt allerdings der gerechteste und einleuchtendste Vorwurf gegen einen beträchtlichen Teil der Metaphysik: daß sie nicht eigentlich eine Wissenschaft ist, sondern entweder das Ergebnis fruchtloser Anstrengungen der menschlichen Eitelkeit, welche in Gegenstände eindringen möchte, die dem Verstande durchaus unzugänglich sind, oder aber das listige Werk des Volksaberglaubens, welcher auf offenem Plan sich nicht verteidigen kann und hinter diesem verstrickenden Gestrüpp Schutz und Deckung für seine Schwäche sucht. David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, S. 9 f. Hier wird die historische Auseinandersetzung zwischen Metaphysikern und materia- listisch orientierten Metaphysikkritikern sehr deutlich. Sie trägt durchaus polemische Züge und zielt auf eine grundlegende Veränderung in den Grundpositionen von Philosophie und Wissenschaft. Vergessen Sie nicht, der Text ist in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden (die Erstausgabe erschien 1748), also in einer Zeit, als úú Kapitel 7 1 ausFüHrunG David Hume (1711–1776) Eine kurze Einführung Eine kurze Einführung 6 Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv
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