Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
244 aufklärerische Positionen noch sehr stark angefeindet und durch die Zensur unter- drückt wurden. Auch materialistische Positionen in der Philosophie hatten ihre Fundamentalisten. Julien Offray de la Mettrie zum Beispiel, ein Arzt und Philosoph, vertrat ein konse- quent mechanistisches Menschenbild. Menschen galten ihm als Maschinen, deren Funktionsweisen genau beschrieben werden konnten. Mehr gab es aus seiner Sicht über Menschen und menschliche Erkenntnis nicht zu sagen. Dieser Ansatz ähnelt manchen aktuellen deterministischen Positionen, die menschliches Denken und Empfinden ausschließlich als Ausdruck eines genetischen Programms sehen, das mit unbeirrbarer Gesetzmäßigkeit abgespult wird. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Recherchieren Sie zu Julien Offray de la Mettrie und verfassen Sie über sein Leben und Denken einen kurzen Essay! 3.6 Denken und Sprache Die meisten vorherrschenden Strömungen sowohl in Europa wie in den Vereinigten Staaten weisen bei aller Vielfalt und Vielschichtigkeit eine Gemeinsamkeit auf: Sie messen der Sprache und sprachlichem Ausdruck sehr hohe Bedeutung für philosophi- sches Denken zu. Ludwig Wittgensteins Satz „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, mutet beinahe wie ein Motto an. Gleich ob die Analytische und Postanalytische Philosophie, ob Konstruktivismus, Dekonstruktivismus, Poststrukturalismus, Phänomenologie und philosophische Herme- neutik oder Semiotik, sie alle kreisen um die Möglichkeiten und Grenzen sprachlichen Ausdrucks. Längst wird Sprache nicht mehr als bloßes Medium betrachtet, mit dem von ihr unabhängige gedankliche Inhalte transportiert oder außer ihr selbst gelegene Dinge angemessen beschrieben werden. Vielmehr wird die Relevanz der Eigengesetz- lichkeit von Sprache gerade im Rahmen neuerer Philosophie – bei allen Unterschie- den in der Bewertung und in den Folgerungen – allgemein anerkannt. Dies entspricht durchaus auch dem Kantischen Gedanken von der großen Bedeutung der Erkenntnis- mittel für das Philosophieren. Denn wir denken sprachlich, und auch unser Bewusst- sein (was immer wir im Detail darunter verstehen) erschließt sich sprachlich. Kom- plexe Gedankengänge sind ohne Sprache nicht wirklich vorstellbar. Zugleich verfügen Sprache an sich und jede konkrete Sprache über ihre eigenen Regeln, die großteils nicht beeinflussbar sind. Allerdings lassen sie zum Teil recht große Spielräume, die als solche erkannt auch entsprechend genutzt werden können. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie den Satz „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“! VerTieFunG Julien Offray de la Mettrie (1709–1751) 2 GrundlaGen O Literaturempfehlung: Ludwig Wittgenstein, Tractatus logicophiloso phicus 5.6. úú Kapitel 7.2 1 t Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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