Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
252 1 Wirklichkeit Wirklichkeit(en) zu erkennen ist ein altehrwürdiges Ziel sowohl von Philosophie als auch von Wissenschaft. Für Philosophinnen/Philosophen stellt sich allerdings auch die Frage, ob es denn überhaupt etwas gibt, was als Wirklichkeit bezeichnet werden kann – und ob es sich erkennen lässt, und wenn ja, wie weit und auf welche Weise. 1.1 Wirklichkeit, was ist das? Unsere Sinne können uns täuschen, deshalb sind sie nicht verlässlich, meinte René Descartes. In der Psychologie wird häufig versucht, Sinneswahrnehmung daraufhin zu überprüfen, ob sie der Wirklichkeit entspricht oder wahnhaft ist. Dass dies problema- tisch ist, haben wir bereits gesehen. In beiden Fällen, bei Descartes und in der modernen Psychologie und ihrer Wirklichkeitsprüfung , steht eine wichtige Überlegung im Hintergrund: nämlich, dass es eine Wirklichkeit gebe, die sich auch erkennen und bezeichnen lasse. Das Zahlwort eine hat dabei durchaus Gewicht, zumindest soweit es viele Anhänger dieser Theorie betrifft. Vielfach wurde und wird sowohl in der Philosophie als auch in den Wissenschaften angenommen, dass nur eine Wirklichkeit vorhanden ist. Diese gelte es aufzuspüren und zu beschreiben. Wir haben gesehen, dass es unterschiedliche Arten geben kann, Dinge wahrzuneh- men, und dass deshalb noch lange kein wahnhafter Zustand vorliegen muss. Was sagt uns das über die dahinterliegende Wirklichkeit? Zunächst einmal wenig. Fragen müssten wir uns allerdings, ob denn überhaupt etwas dahinter liegt. Womöglich ist die Wirklichkeit – zumindest für uns menschliche Wesen – nicht von der Vorstellung zu trennen, die wir von ihr haben. Das klingt fürs Erste ziemlich gewagt. Denn wenn es beispielsweise einen Mord gegeben hat, dann hat ihn doch irgendjemand an irgendeiner anderen Person verübt. Man kann den Mord aufklären und den/die Täter/in benennen. Die hinter dem Rätsel liegende Wirklichkeit, nämlich die vorsätzliche Tötung eines Menschen durch einen anderen, lässt sich prinzipiell enthüllen. Wenn es nicht gelingt, haben die Ermittler/ innen versagt. Gut, ließe sich einwenden, mag ja sein, aber vorsätzliche Tötung , das ist doch eine rechtliche Bezeichnung oder moralische Wertung, jedenfalls keine hand- feste Wirklichkeit , die irgendwo hinter unseren Vorstellungen und Worten lauert. Also bitte, würde darauf entgegnet, schön, wenn Sie es so genau nehmen, dann wollen wir präziser werden: Der Tötungsakt selbst, der ist eine Wirklichkeit, die existiert hat und die prinzipiell festgestellt werden kann, auch wenn dies in der Praxis im ganz konkre- ten Einzelfall nicht immer gelingt. Hm, könnte ein/e Skeptiker/in einwenden, Tötungs- akt ist also kein Wort …? Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Diskutieren Sie gemeinsam über die Überlegungen im letzten Absatz! Finden Sie Argumente für unterschiedliche Positionen! GrundlaGEn úú Kapitel 6.2.1 úú Kapitel 2.1 1 t Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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