Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

266 Interpretation, erlangt das Subjekt Kenntnisse über das Objekt. Die Beziehung zwischen Erkenntnissubjekt und -objekt ist dabei starr und einseitig gedacht: Dem aktiven Subjekt steht ein passives Objekt gegenüber. Leider stimmt das nicht. In den Sozialwissenschaften liegt dieser Umstand durchaus offen zutage. Hier sind ja auch die Erkenntnisobjekte Menschen, doch Menschen beeinflussen sich ständig gegensei- tig, etwa bei einem sozialwissenschaftlichen Interview. Aber es gilt auch für die Naturwissenschaften: Subjekt und Objekt beeinflussen einander wechselseitig. Der Physiker Werner Heisenberg hat im Rahmen der Quantenphysik ein Gedankenexperi- ment unternommen, das diesen Umstand hervorhebt: Bei dem Versuch, ein Teilchen mikroskopisch zu messen, erfährt dieses Teilchen selber einen Impuls und wird dadurch in seiner Position verändert. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Erläutern Sie anhand eines eigenen Beispiels, wie sich erkennendes Subjekt und Objekt der Erkenntnis gegenseitig beeinflussen! […] als Bewußtsein sehe ich mich selbst nicht von außen. Ich bin ein Objekt für andere, aber nicht für mich selbst, und wenn ich ein Objekt für mich selbst bin, bin ich bereits darüber hinaus; wenn es sichtbar gemacht ist, ist es nicht mehr ich, zumindest nicht von Innen. Arthur C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen (1993), S. 312. Was Objekt und was Subjekt ist, hängt von der jeweils eingenommenen Perspektive ab, verschwimmt und oszilliert. Für Arthur Schopenhauer ist jeder Subjekt , sofern er erkennt , aber Objekt , sobald er selbst Erkenntnisgegenstand wird. Weil jeder ein Objekt für andere und ein Subjekt für sich selbst ist, variiert die Perspektive, und es wird leicht nachvollziehbar, dass schon von daher Objekt-Sein und Subjekt-Sein wechselseitig aufeinander abfärben. In diesem Zusammenhang befinden wir uns mitten in der sehr konfliktreich ausgetra- genen Diskussion, ob es überhaupt so etwas wie ein erkennendes Subjekt gibt. Vielleicht handelt es sich ja auch nur um eine sprachliche Konvention? Auf rein empiri- scher Basis ist es nicht nachweisbar, wie wir bei Hume gesehen haben. Aber ist es deshalb inexistent? Irgendetwas in uns vernetzt Informationen, konfiguriert und fügt sie zu Vorstellungen. Womöglich handelt es sich hier um eine rein neuronale Verknüp- fung, doch warum läuft sie dann nicht bei allen Menschen gleich ab? Außerdem: Wie können wir überhaupt von Erkenntnis reden oder solche anstreben, wenn es sich immer nur um flüchtige Bewusstseinsinhalte handelt, die, wie bei Hume, stets von neuen abgelöst werden? Insofern können wir uns vielleicht mit einer Denkfigur helfen, die Kant als regulative Idee bezeichnet: Eine Vorstellung erscheint uns sinnvoll, wir haben gute Gründe anzunehmen, dass sie uns weiterhilft und uns vor allem vor Handlungsunfähigkeit bewahrt, doch können wir weder ihre Existenz noch ihre Inexistenz beweisen. In einem solchen Fall kann es sich empfehlen, so zu tun, als ob es sie gäbe. Das ist in vielen Belangen eine hilfreiche Vorgehensweisen, weil wir eben Werner Heisenberg (1901–1976) úú Kapitel 1.2.4 1 AuSFüHrunG O  Literaturempfehlung: Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung I § 2. VErTiEFunG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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