Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

267 vieles nicht oder nicht mit Sicherheit wissen und die Frage, ob wir etwas wissen, stets von Vorannahmen abhängt, die ihrerseits meist nicht mit letzter Gewissheit bewiesen werden können. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Finden Sie Beispiele, in denen es sich empfiehlt, Annahmen zu machen und so zu tun, als ob sie zutreffend wären! Halten Sie dieses Vorgehen für sinnvoll oder eher für problematisch? Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie und begründen Sie Ihre Standpunkte! Diskutieren Sie mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn, was Dantos Sichtweise für die Möglichkeit der Selbsterkenntnis bedeutet! 2.5 Erkenntnis als Bedeutungsfindung Die Suche nach einer sicheren Erkenntnis, nach sicherem Wissen über die wirkliche Welt erweist sich also als nicht eben einfach. Kann sie überhaupt erfolgreich sein oder muss jede Erkenntnis womöglich als suchender, tastender Prozess verstanden werden, der sich zwar hohe Ziele stecken, aber bei Lichte besehen niemals einen Abschluss finden kann? Die Sache wird noch ein wenig komplizierter. Denn bislang haben wir einen Bereich ausgeklammert, der für jede Form von Erkenntnis große, wenn nicht allergrößte Bedeutung hat: den Bereich der Sprache und der Symbole. Lange Zeit ging man weitgehend davon aus, dass Sprache ein Medium ist, das Inhalte transportiert, mehr aber nicht. Im 19. und 20. Jahrhundert erkannte man demgegenüber mehr und mehr die Relevanz sprachlichen Ausdrucks und sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten auch für die Inhalte, die es scheinbar nur zu vermitteln gilt. Zuvor hatte weitgehende Einigkeit darüber geherrscht, sprachliche Zeichen seien Träger einer Bedeutung, die ihnen ohne weitere Schwierigkeiten zugeordnet werden könne. Diese Zuordnung erfolge über grammatikalische und semantische Regeln, die außer Zweifel stünden. Als Sprachwissenschafter/innen und Philosophinnen/Philosophen genauer über diese Regeln nachzudenken begannen, erwiesen sich diese als keineswegs so stabil und sicher wie angenommen. Sprachliche Codes können sich ändern, sie unterliegen zudem der Möglichkeit von Neu- und Umdeutung. Es ist keineswegs sicher, was ein sprachliches Zeichen genau bedeutet. Dies hängt sehr stark von kulturellen Kontex- ten, eingeübten Gewohnheiten der Zeichenbenutzer/innen und von Interpretationen ab. Zu den Ersten, die sich intensiv mit derlei Überlegungen auseinandersetzten, gehör- ten ganz unabhängig voneinander der Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure und der Mathematiker Charles Sanders Peirce. Peirce wies etwa darauf hin, dass auch ein bildliches Zeichen niemals selbsterklärend ist, sondern immer nur von denjenigen gedeutet werden kann, die über entsprechende Vorkenntnisse verfügen. Wenn Sie nicht wissen, was das rote und was das grüne Licht auf einer Verkehrsampel bedeu- ten, können Sie nichts damit anfangen und werden vermutlich nicht gefahrlos am Straßenverkehr teilnehmen. Sie könnten sich aber am Verhalten anderer Verkehrsteil- 2 r 3 t GrundlaGEn Ferdinand de Saussure (1857–1913) Charles Sanders Peirce (1839–1914) Wirklichkeit und ihre Erkenntnis Wirklichkeit und ihre Erkenntnis 7 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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