Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
270 Zudem sind abweichende Gebrauchsformen durchaus möglich. Unter Umständen können sie selbst irgendwann gebräuchlich und üblich werden. So war etwa das Wort queer in den USA lange Zeit als Schimpfwort für Homosexuelle gebraucht worden. Später verwendeten es einige Gruppen von Homosexuellen als Kampfbegriff und zugleich als Sammelbegriff für ihre eigenen Theorien und Forderungen. Heute wird der Begriff weitgehend in eben diesem Sinn verwendet. Er steht dann für ein bestimmtes Bündel an Gendertheorien, die sich mit politischen Forderungen eines Teils der nordamerikanischen und europäischen Schwulen- und Lesbenbewegung verbinden. Zeichen bedeuten nicht für alle und zu allen Zeiten und in jedem sozialen und kulturellen Kontext dasselbe. Ein Kopfschütteln kann eine Verneinung (z. B. in den USA oder Frankreich) oder eine Bejahung (z. B. in Griechenland) bedeuten. Versucht ein Mann einer Frau aus dem Mantel zu helfen, kann das je nach sozialem Hintergrund der Beteiligten als Ausdruck guter Erziehung, als Beleidigung oder auch als sexueller Übergriff gewertet werden, und zwar durchaus innerhalb ein und desselben gesell- schaftlichen Rahmens. Keine dieser Deutungen wäre an sich richtig oder falsch. Je komplexer Zeichen werden, desto höher wird das Ausmaß zumindest grundsätzlich möglicher und zulässiger Interpretationen. Sprachliche Zeichen sind besonders komplex, ihre möglichen Bedeutungen sind meist vielfältig, zugleich aber auch nicht beliebig offen. Wären sie Letzteres, verlören sie jede Unterscheidungsfunktion. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie aus Ihrer Erfahrungswelt Beispiele für Zeichen, deren Bedeutungen sich verändert haben! Zeichen ist alles, was auf irgendeine bestimmte Weise irgendeine bestimmte Vor- stellung eines Objekts vermittelt […], so wie uns diese Vermittler des Denkens üblicherweise bekannt sind. Charles Sanders Peirce: Semiotische Schriften, Bd. 2 (1990), S. 163. Für Peirce ist alles ein Zeichen, was auf etwas anderes verweist. Nur in der wechsel seitigen Beziehung zwischen Zeichen, kann eine Bedeutung entstehen, und zwar für eine bestimmte Person. Ein Zeichen oder Repräsentamen wird dabei als etwas betrachtet wird, das für jemanden für etwas steht, und zwar in einer gewissen Hinsicht oder Fähigkeit. Im Bewusstsein der Person, an die es sich richtet, erzeugt es ein äquivalentes oder vielleicht ein weiterentwickeltes Zeichen; dieses Zeichen nennt Peirce den Interpretanten des ersten Zeichens. Und schließlich steht das Zeichen für etwas, nämlich sein Objekt . Es steht für das Objekt nicht in jeder Hinsicht, sondern in Bezug auf eine Art von Idee. In dieser triadischen Beziehung entsteht für Peirce Bedeutung. Wenn man mit Peirce oder auch anderen Semiotikerinnen/Semiotikern (von gr. semeíon , „Zeichen“) davon ausgeht, dass Zeichen auf etwas verweisen, bleibt zunächst einmal offen, worauf sie verweisen und wie solche Verweisbeziehungen úú Kapitel 9.2 1 AuSFüHrunG O Literaturempfehlung: Charles Sanders Peirce: Collected Papers 2 (1931), S. 228. triadisch von gr. tría , „drei“, sich auf eine Gruppe von drei Dingen beziehend VErTiEFunG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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