Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

274 3 Wahrheit Wirklichkeit(en) zu erkennen und wahre Sätze für sie zu finden, das sind altehrwürdige Ziele nicht nur von Philosophie, sondern auch von Wissenschaft ganz allgemein. Wie schon der Erkenntnis­ prozess selbst alles andere als einfach ist, so stellt uns auch die sprachliche Beschreibung der Erkenntnis vor manche Herausforderung. 3.1 Das Denken und die Dinge: wahre Sätze finden Wie wir gesehen haben, drängen sich Sprache und Denken höchst eigenwillig in den Erkenntnisprozess hinein. Dabei war die Vorstellung Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtau- sende lang eine ganz andere gewesen. Die Dinge liegen außerhalb des Denkens und der Sprache, sie werden wahrgenommen, erkannt und sprachlich möglichst abschlie- ßend und dauerhaft gültig in einer angemessenen Weise beschrieben. So funktioniere Wissenschaft, war man überzeugt, und sie drücke sich in wahren Sätzen aus. In klassischer Weise wurde diese Sicht der Dinge im 13. Jahrhundert auf den Punkt gebracht. Der Theologe und Dominikanermönch Thomas von Aquin, einer der einfluss- reichsten Denker des Hochmittelalters formulierte die Korrespondenztheorie der Wahrheit in ihrer klassischen Form. Demnach ist Wahrheit die Entsprechung von Sache und Verstand , und wahr ist etwas dann, wenn eine Sache richtig erkannt und diese richtige Erkenntnis auch in ange- messener Weise ausgedrückt wird (dieser Ausdruck ist dann ein wahrer Satz). Diese Sicht der Dinge hat die mittelalterliche Welt überdauert. Sie findet sich etwa bei Kant, der Wahrheit als Übereinstimmung einer Erkenntnis mit ihrem Gegenstande definiert hat. Auch in der Analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie hat sie sich zumindest lange Zeit über gehalten. So definierte etwa Bertrand Russell Wahrheit als eine bestimmte Art von Beziehung zu Tatsachen . Russell spricht in diesem Zusammen- hang selbst von einer Korrespondenztheorie. Ein anderer berühmter Logiker des 20. Jahrhunderts, Alfred Tarski, ging hingegen davon aus, dass eine Korrespondenztheorie der Wahrheit nicht zwischen Gedanken und Dingen oder zwischen sprachlichem Ausdruck und Gegenständen angenommen werden könne. Miteinander verglichen und in eine Korrespondenzbeziehung gebracht werden könnten nur unterschiedliche sprachliche Ausdrucksformen, Sätze oder auch Formeln, nicht aber sprachliche Hervorbringungen und Objekte außerhalb der Sprache. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Vergleichen Sie die dargestellten korrespondenztheoretischen Ansätze und nennen Sie sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede! Recherchieren Sie im Internet zu Alfred Tarski! Fassen Sie seine wichtigsten Werke und Thesen zusammen! GrundlaGEn Thomas von Aquin (1225–1274) 1 2 Nur zu P üfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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