Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

279 nistheoretischen Bedingungen, die wir im Verlauf dieses Kapitels kennengelernt haben, kann eine solche „Erfindung“ von Wahrheit durchaus als eine sehr angemes- sene und redliche Form von Wahrheitsfindung gelten. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Erläutern Sie die Bedeutung, die Habermas den Erfahrungen in Wahrheitsfragen zuspricht! 3.4 Praktikabilität Habermas bezeichnet seine Konsenstheorie der Wahrheit auch als Intersubjektivi- tätstheorie der Wahrheit, weil es auf die Nachvollziehbarkeit einer Argumentation zwischen verschiedenen Personen ankommen soll. In dieser Hinsicht knüpft Haber- mas an amerikanische Pragmatisten wie Charles Sanders Peirce und William James an. In der philosophischen Richtung des Pragmatismus stehen lebensweltliche Handlungen im Vordergrund. Dabei wird nach ihren Folgen und Auswirkungen gefragt, desgleichen nach den lebenspraktischen Voraussetzungen und Konsequenzen theoretischen Wissens. Insbesondere für Peirce zielt Forschung nicht auf die Feststel- lung von Wahrheiten ab, sondern auf die Festlegung von Meinungen, die freilich auch geändert werden können. Dabei handelt es sich um Meinungen, die innerhalb einer bestimmten Personengruppe geteilt werden können. Es geht dabei um ein Für-wahr- Halten, die Gewinnung praktikabler Überzeugungen, die Forschungsprozesse ermögli- chen und in Gang halten. Nicht jedoch geht es um ewig gültige Wahrheiten. Ähnliche Positionen finden sich etwa bei Nelson Goodman, dem Wahrheit als abhän- gig von konkreten Umständen (Kontexten) und Definitionen galt. Es gibt aus seiner Sicht hartnäckige Überzeugungen, etwa langlebige Vorstellungen über die Gesetze der Logik. Für Kant hätte sich daraus ein formales Kriterium für die Wahrheitshaltig- keit von Sätzen ableiten lassen. Goodman bedenkt den Umstand mit, dass sich auch unsere Vorstellungen von Logik bei näherem Hinsehen weder als einheitlich noch als unveränderlich erweisen. Vor allem aber: Von Wahrheit kann nur in Bezug auf Aussa- gen gesprochen werden, nicht in Hinblick auf außersprachliche Objekte. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie das Wahrheitskonzept von Peirce und Goodman mit eigenen Worten wieder! Wahre Vorstellungen sind solche, die wir uns aneignen, die wir geltend machen, in Kraft setzen und verifizieren können. Falsche Vorstellungen sind solche, bei denen dies alles nicht möglich ist. […] Die Vorstellung wird wahr, wird durch Ereignisse wahr gemacht. Ihre Wahrheit ist tatsächlich ein Geschehen, ein Vorgang, und zwar der Vorgang ihrer Selbst-Bewahrheitung, ihre Veri-fikation. Die Geltung der Wahrheit ist nichts anderes als eben der Vorgang des Sich-geltend-Machens. […] Wenn wir von Wahrheit sprechen, so sprechen wir unserer Theorie gemäß von 2 GrundlaGEn Pragmatismus, pragmatisch von gr. pragmatikós , ,,zweckmäßig, tüchtig“. Das Suffix ismus bezeichnet eine Lehre, Programmatik oder Geisteshaltung, die ein bestimmtes Konzept systematisch und gezielt vertritt. Pragmatische Ansätze stellen das Handeln in den Vorder­ grund, einschließlich des sprachlichen Handelns. úú Kapitel 6.2 1 AuSFüHrunG Wirklichkeit und ihre Erkenntnis Wirklichkeit und ihre Erkenntnis 7 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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