Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

284 Als notwendige Bedingung gilt logisch eine solche, die nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch das Ereignis, dessen Voraussetzungen beurteilt werden sollen, wegfiele. Bleiben wir bei unserem Beispiel mit dem Autounfall. Hätte Frau/Herr A Frau/Herrn B nicht angefahren, wäre Frau/Herr B nicht verletzt worden, jedenfalls nicht in dieser spezifischen Weise. Eine solche Bedingung heißt notwendige Bedin- gung (Conditio sine qua non) . Wir haben bereits oben gezeigt, dass es mehrere Bedingungen gibt, die nicht wegge- dacht werden können, ohne dass auch das Ereignis Verletzung von Frau/Herrn B weggedacht werden müsste. Um einen linearen Kausalzusammenhang (eine Ursache führt zu einer Wirkung) herstellen zu können, muss die Bedingung auch hinreichend sein, also denknotwendig zu dem betreffenden Ereignis führen. Doch auch die anderen Bedingungen in unserem Beispiel tragen denknotwendig zur Verletzung von Frau/Herrn B bei. Letztlich ist es also eine – mehr oder minder gut begründbare – Wertung, die eine bestimmte Bedingung zur entscheidenden Ursache macht, und nicht so sehr logischer Zwang. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie die zitierte Textpassage mit eigenen Worten wieder! Arbeiten Sie dabei auch heraus, worin genau Humes Kritik am gängigen Kausalitätsbegriff besteht! Begründen Sie Ihre Einschätzungen. 4.3 Wahrheit und Macht Der Anspruch auf den Besitz absoluter Wahrheit scheint im religiösen Denken zu liegen. Sowohl die mittelalterliche Theologie als auch die Philosophie im Einflussbe- reich der lateinischen oder römischen Kirche beschäftigten sich intensiv mit Fragen göttlicher Allmacht (Dei potentia absoluta) . Diese göttliche Potenz wurde als sehr weitreichend gedacht und führte zu einer Entwertung der physischen Welt einschließlich aller menschlichen (sozialen) Verhält- nisse. Denn nur der allmächtige Gott war frei und autonom, er konnte die Welt auch jederzeit wieder zerstören. Diese Allmacht färbte auf die Priesterschaft dieses Gottes ab, die an ihr teilzuhaben versuchte. Der Philosoph Hans Blumenberg spricht in diesem Zusammenhang von theologischem Absolutismus , der die neuzeitliche Abkehr von metaphysischen Ansätzen zur Folge gehabt habe. Wer also behauptet, über absolute Wahrheiten zu verfügen, tut dies meist in der Absicht, andere zu manipulieren oder zu beherrschen. Derlei Behauptungen mit Erfolg aufzustellen, setzt meist schon eine bestimmte soziale oder politische Machtposition voraus, die auf solche Weise noch weiter gefestigt werden soll. Tauchen Versuche dieser Art im Kontext von Wissenschaft oder Philosophie auf, kann man meist von Ideologie sprechen. Sie kommen immer wieder vor, insbesondere dort, wo Personen oder Gruppen aufgrund ihrer institutionellen Verankerung, etwa in einer berühmten Forschungseinrichtung, zu der Ansicht gelangen, sie seien über jede Infragestellung ihrer Arbeit erhaben. VErTiEFunG 2 t GrundlaGEn O  Literaturempfehlung: Hans Blumenberg: Die Legitimität der Neuzeit, S. 159. úú Kapitel 6.3.2 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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