Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
299 empfunden und auch gelebt werden, was keineswegs einfach ist, gleichwohl sehr lohnend für die eigene Seelenruhe sein dürfte. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Halten Sie es für sinnvoller, die Sterblichkeit überwinden zu wollen oder sie zu akzeptieren? Diskutieren Sie gemeinsam! Der Tod ist nichts, was uns betrifft. Denn das Aufgelöste ist empfindungslos. Das Empfindungslose aber ist nichts, was uns betrifft. Epikur: Kyriai doxai II. Wenn was uns den Tod so schrecklich erscheinen läßt der Gedanke des Nichtseyns wäre; so müßten wir mit gleichem Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist unumstößlich gewiß, daß das Nichtseyn nach dem Tode nicht verschieden seyn kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht beklagenswer- ter. Eine ganze Unendlichkeit ist abgelaufen, als wir noch nicht waren; aber das betrübt uns keineswegs. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung II (1859; 1988), S. 540 f. Epikur war, wie einige andere Philosophen der griechischen und römischen Antike auch, davon überzeugt, dass Körper und Geist eine Einheit bilden. Wenn der Körper stirbt, erlischt auch der Geist oder das, was wir Seele (gr. psyché ) nennen. Deshalb muss es uns nicht ängstigen, wenn wir an unseren eigenen Tod denken, soweit das eben überhaupt möglich ist. Wenn wir nicht mehr sind, haben wir aus dieser Sicht- weise auch kein Bewusstsein von irgendetwas und auch kein Gefühlsleben mehr. Die Frage ist allerdings, wann überhaupt von Tod die Rede sein kann, welche Kriterien also für seinen Eintritt festgemacht werden können. Mit dem Tod anderer zurechtzu- kommen, ist dagegen zweifellos eine weitaus schwierigere Angelegenheit. Schopenhauer weist darauf hin, dass wir ja auch vor unserer Geburt nicht existiert haben – auch hier kann es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, auch wenn man nicht religiös oder energetisch argumentiert, denken Sie an die Frage pränataler Eindrücke und Empfindungen. Doch vor aller pränatalen Existenz waren wir nicht, und dieser Gedanke verschafft uns doch zumindest einen Eindruck davon, wie begrenzt und wie kostbar gerade deshalb (und vielleicht nur deshalb) die Zeit ist, die uns in aller Regel zur Verfügung steht. Zugleich kann es helfen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und der eigenen Existenz deshalb eine potentiell unendliche Dauer zuschreiben zu müssen. Seelenruhe galt in Teilen der griechischen Philosophie als wichtiger und erstrebens- werter Zustand. Im Rahmen heutiger philosophischer Diskussionen um Lebenskunst spielt sie auch wieder eine größere Rolle. Für die Anhänger/innen Epikurs galt Ataraxie als Ausdruck von Seelenruhe. Gemeint war seelische Ausgeglichenheit aufgrund eines Freiseins von Unlust. Dies meint keinen Aufruf zu maßlosem Genuss- 1 r AuSFüHrunG Epikur (341–um 270/271 v. Chr.) úú Kapitel 10.4.1 úú Kapitel 4.3 VerTieFunG Mensch-Sein 1 Mensch-Sein 1 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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