Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

2 die ersten und die letzten dinge Religiöse Lehren versprechen Sinnstiftung, im Leben und über den Tod hinaus. Das Individuum wird Teil eines großen Ganzen und scheint sogar die Schranken des Daseins zu überwinden: Nach einem geordneten irdischen Leben gewinnt es die Unendlichkeit einer jenseitigen Welt. Aber verliert es dabei nicht auch etwas? 2.1 Religion, was ist das? Religiöse Sinnstiftung ist so vielfältig und unterschiedlich wie Religionen selbst. Allein schon das Wort Religion ist nicht eindeutig zu bestimmen. Es stammt aus dem Lateinischen, doch bereits Cicero wusste nicht genau, woher es kam und was es bedeutete. Am besten kann man es wohl wörtlich mit Rückbindung oder Zurückbin- dung übersetzen (von lat. religare , „zurückbinden“) und an etwas wie Besinnung denken. Leitet man es aber wie Cicero von relegere („wieder lesen“) ab, so wäre an immer wiederkehrendes, wiederholtes (intensives) Lesen zu denken. Da das Wort aus dem Lateinischen kommt (und aus einem Gebrauch, der viel älter ist als das Christen- tum), fragt sich allerdings zunächst einmal, ob es überhaupt ohne weiteres auf Konzepte angewendet werden kann, denen die lateinische Sprache im Grunde fremd ist, wie das Judentum, den Hinduismus oder den Islam. Setzen wir uns über diese Hürde pragmatisch hinweg, so bleiben genügend inhaltliche Fragen. Was kennzeich- net Religionen ganz allgemein? In jedem Fall handelt es sich um Ordnungssysteme, die sich auf etwas beziehen, das als heilig gilt oder betrachtet wird. Sie sind insofern Ordnungssysteme, als sie in mehr oder weniger stark ausgeprägter Form Regeln und Normen aufstellen, an denen sich Menschen bei ihrer Lebensführung orientieren sollen. Auch spielen regelmäßig vollzogene, ritualisierte Kulthandlungen in den meisten Fällen eine große Rolle. Den theoretischen Ausgangspunkt bildet meist eine Erzählung über Geschehnisse und Zusammenhänge, in denen etwas in das Leben von Menschen hereinbricht, das von den Anhängerinnen/Anhängern der jeweiligen Religion als heilig betrachtet wird. Dieses Heilige ist meist in Bezug auf eine oder mehrere Gottheiten gedacht, doch dies muss nicht so sein. Es kann, muss aber auch nicht einer transzendenten Sphäre GrundlaGen 301 Muslimische Frauen in Nepal beim Gebet (links); Hinduisten beim heiligen Bad im Ganges (Mitte), Buddhisten in Japan beim Gebet an einem Schrein (rechts) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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