Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
302 zugerechnet werden. Immer wird allerdings davon ausgegangen, dass das Heilige den Bereich und das Fassungsvermögen alltäglicher menschlicher Existenz übersteigt. Gleichzeitig wird von der Möglichkeit ausgegangen, eine Beziehung zu diesem Heiligen herstellen und es gewissermaßen in die vertraute Lebenswirklichkeit einbeziehen zu können (Spiritualität) . Es gibt Religionen mit mündlichen und solche mit schriftlichen Überlieferungen. Die Religionen mit schriftlichen Überlieferungen beziehen sich in ihren Lehren auf heilige Texte , von denen die Gläubigen oft annehmen, sie seien entweder direkt von einer Gottheit verfasst oder aber von Menschen, die beim Schreiben göttliche Eingebungen hatten. Das Vorhandensein eines göttlichen Wesens ist häufig Teil religiöser Lehren, doch ist dies nicht zwingend der Fall. Religionen bieten Menschen eine meist sehr umfassende Deutung ihres Daseins und geben ihnen das Gefühl, ein mehr oder weniger wichtiger Teil eines größeren Ganzen zu sein. Überhaupt ist der Gefühlsaspekt, das Gefühl also, zu einer Gemeinschaft zu gehören oder von einer spirituellen Macht geleitet zu werden, von großer Bedeutung für Religionen. Häufig eröffnen Religionen ihren Gläubigen außerdem Perspektiven, die über ihr Dasein hinausreichen sollen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bewerten Sie die Bedeutung von Religion heute! Bedenken Sie dabei auch kulturelle, regionale, soziale und individuelle Unterschiede! Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie darüber! Wir wollen […] unser Paradigma zu einer Definition zusammenfassen, weil Defi- nitionen, auch wenn sie bekanntlich nichts beweisen, bei genügend sorgfältiger Formulierung doch zur Orientierung oder Neuorientierung des Denkens beitragen können. […] eine Religion ist (1) ein Symbolsystem, das darauf zielt, (2) starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in den Menschen zu schaffen, (3) indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und (4) diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, daß (5) die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen schei- nen. Clifford Geertz: Dichte Beschreibung (1995), S. 48. Der Sozialanthropologe Clifford Geertz gibt hier eine zeichentheoretisch orientierte und zugleich sehr funktionale Definition von Religion . Dadurch lässt sich diese Begriffsbestimmung auf sehr viele, inhaltlich und kultisch sehr unterschiedlich ausgestaltete Religionen anwenden. Den Ausgangspunkt bildet das Element Symbol- system ; es geht für Geertz also um Zeichen, die in einer Weise aufeinander Bezug haben, sodass ein bestimmter Sinn, eine bestimmte Bedeutung entsteht. Diese Bedeutung ist sehr umfassend gedacht, zumindest auf Seiten der Anhänger/innen einer bestimmten Religion; sie schließt nach Möglichkeit das gesamte Sein ein. Zugleich kann es sich nicht um eine rein theoretische Welterklärung handeln, die emotionale Sphäre der Gläubigen muss, wenn es sich um eine Religion handeln soll, ebenfalls angesprochen sein. 1 t AuSFüHrunG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv
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