Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
307 Nun kann es ein solches Überzeugt-Sein geben, ohne dass wir irgendwelche Gründe dafür angeben können. Dies wäre ein Glauben der Art „Credo quia absurdum“ („ich glaube, weil es nicht vernünftig ist“). Dieser Satz aus der christlichen Theologie des 2. Jahrhunderts drückt ein Verständnis von einem religiösen Glauben aus, das von jeder Form von Vernunft, Argument oder eben Begründung völlig unabhängig sein will. Es kann aber auch sein, dass wir etwas glauben, aber auch Gründe dafür ange- ben können, die allerdings noch allzu vage sind, um den Status von Wissen beanspru- chen zu können. Hier ist an fundierte Vermutungen zu denken, an einen Verdacht, dem wir nachgehen und den wir prinzipiell stärker begründen können, der also überhaupt einer Begründung zugänglich ist. Religiöse Überzeugungen sind dies in aller Regel nicht, weil sie weder beweisbar noch widerlegbar sind, wie etwa die Frage der Existenz Gottes. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie mit eigenen Worten Kants Unterscheidung von Glauben, Meinen und Wissen wieder! Interpretieren Sie die Bedeutung des Satzes „Credo quia absurdum“! Recherchieren Sie dazu auch im Internet und notieren Sie Ihre Ergebnisse! Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie Für und Wider dieses Satzes! 2.4 Gottesbeweise Zu einer Zeit, als sich jegliche Wissenschaft im westeuropäischen Mittelalter an den Vorgaben kirchlicher Lehren orientieren musste, versuchten Theologen auch, dem Glauben durch scheinbares Wissen nachzuhelfen. Für Thomas von Aquin, den einfluss- reichsten Theologen des Hochmittelalters und bis heute wichtigsten Philosophen der katholischen Kirche, war die Philosophie eine Magd der Theologi e (lat. ancilla theolo- giae ). Sie hatte die Funktion einer Art Hilfswissenschaft. Der Begriff Theologie kommt schon in Platons „Politeia“ vor. Dort bezeichnet er einfach das Reden über Gott, das auf unterschiedliche Weise erfolgen könne. Insbesondere in den diversen Spielarten des Christentums meint der Begriff hingegen eine Form von Wissenschaft, deren Gegenstand Gott ist und die sich von christlichen Glaubensüberzeugungen leiten lässt. Im Mittelalter dominierte die Theologie den Universitätsbetrieb, alle anderen Wissenschaften hatten sich nach ihren Grundüberzeugungen zu richten. Eine Aufgabe der Philosophie sah Thomas darin, dass sie es möglich machte, die Existenz Gottes zu beweisen. Dieses Bestreben wiederum legt nahe, dass es einigen Überzeugungsbedarf gab. Schon rund zweihundert Jahre vor Thomas hatte sich Anselm von Canterbury, ein einflussreicher frühmittelalterlicher Theologe, zu einem Gottesbeweis veranlasst gesehen, „auf drängende Bitten hin“, wie er schreibt. Anselm unternahm etwas, das später als ontologischer Gottesbeweis bezeichnet wurde, und er verwandte zwei Anläufe darauf. Ziel war es, ein Argument für die Existenz Gottes zu finden, das unwiderleglich sein sollte. Was Inhalt von Anselms Glauben war, sollte auch rational zweifelsfrei erkannt werden können. „Ich glaube, damit ich rational erkenne“ (credo ut intelligam), schrieb Anselm. Die Ratio, mithin auch die Philosophie, ist hier ganz klar dem Glauben nachgeordnet. Im Wesentlichen wollte Anselm VerTieFunG 2 3 t GrundlaGen Theologie Lehre (gr. lógos ) von Gott (gr. theós ). Der Ägyptologe Jan Assmann gibt folgende Definition: „Theologie ist argumenta tive, lehrhaft entfaltete Rede vom Göttlichen“ (Jan Assmann: Herrschaft und Heil [2000], S. 16). Mensch-Sein 1 Mensch-Sein 1 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=