Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
311 Lesen Sie Voltaires „Candide“ (besorgen Sie sich den Text in einer Bücherei oder im Internet)! Gehen Sie der Frage nach, inwiefern der Lehrer Pangloss in seiner Überzeu gung, in der besten aller möglichen Welten zu leben, scheitert. Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie Ihre Überlegungen! 2.6 Religion philosophisch In der Geschichte der Philosophie gab und gibt es auch immer wieder Versuche, religiösen Glauben und philosophisches Erkenntnisinteresse zu verknüpfen. Ein Versuch wurde bereits angesprochen, nämlich Spinozas pantheistischer Ansatz. Auf religiöser Seite wurde er von christlichen Theologen wie auch von jüdischen Rabbi- nern abgelehnt. Die jüdische Gemeinde in Amsterdam, der Spinoza angehört hatte, verhängte 1656 sogar einen Bannfluch über ihn. Spinoza war übrigens nicht der erste Denker, der pantheistische Ansätze vertrat. In der Spätantike waren sie in philosophi- schen und literarischen Kreisen verbreitet, mit dem Siegeszug des Christentums wurden sie allerdings unterdrückt. Eine andere philosophische Variante religiöser Lehren ist der Deismus . Er steht in einem Gegensatz zum Theismus vor allem monotheistischer Lehren, der von einer personalen Gottheit ausgeht, die die Welt erschaffen hat und sich weiterhin von außen mit ihr beschäftigt. Im 17. und 18. Jahrhundert fand dagegen der Deismus unter Aufklärungsphilosophen viele Anhänger. Sie gingen davon aus, dass ein göttliches Wesen die Welt geschaffen habe. Ein Plan müsse dahinterstecken, dachte beispiels- weise Isaac Newton, denn für ein Zufallsprodukt funktioniere die Welt viel zu gut. Allerdings dachten Aufklärer wie Newton auch, dass diese Funktionsweise durch unabänderliche Gesetzmäßigkeiten bestimmt sei, in die der Schöpfergott nicht mehr eingreife. Der Gott des Deismus hat die Welt also geschaffen, greift aber nach Abschluss des Schöpfungsvorgangs nicht mehr in sie ein. Er kümmert sich nicht mehr um sie. Ihn anzubeten und ihm Kulthandlungen darzubringen ist nach deistischer Auffassung daher ebenso unsinnig wie an ein wundersames Eingreifen Gottes in das Weltgeschehen zu glauben. In der Philosophie unserer Zeit spielen Fragen nach Gott oder Göttern keine große Rolle mehr. Die Suche nach ersten, sicheren Prinzipien menschlicher Erkenntnis wurde schon lange aufgegeben. Zudem hat sich die Theodizee-Problematik in den Erschütte- rungen des 20. Jahrhunderts verschärft; wenn Menschen andere Menschen massen- haft und systematisch ermorden, werden philosophische Verteidigungsreden für die Idee eines gütigen und allmächtigen Gottes, der all das letztlich hervorgebracht hat oder doch immerhin geschehen lässt, schwierig. Zu den wenigen Philosophen, die sich nach 1945 doch noch auf religionsphilosophi- sches Terrain begeben haben, zählt Hans Jonas. Sein Gott ist der Gott der jüdischen Tradition. Wie vor ihm schon Epikur und Leibniz fragt auch Jonas nach dem Verhältnis von Allmacht und Allgüte auf der einen und dem Elend in der Welt auf der anderen Seite. Anders aber als Leibniz macht Jonas Abstriche bei der Idee der Allmacht Gottes. Sein Gott ist nur noch gütig; er leidet mit den Menschen mit, allmächtig ist er nicht mehr. 4 GrundlaGen Mensch-Sein 1 Mensch-Sein 1 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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