Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

312 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie mit eigenen Worten eine Definition der Begriffe Pantheismus, Deismus und Theismus ! Nach Auschwitz können wir mit größerer Entschiedenheit als je zuvor behaupten, daß eine allmächtige Gottheit entweder nicht allgütig oder (in ihremWeltregiment, worin allein wir sie erfassen können) total unverständlich wäre. Wenn aber Gott auf gewisse Weise und in gewissem Grade verstehbar sein soll (und daran müssen wir festhalten), dann muß sein Gutsein vereinbar sein mit der Existenz des Übels, und das ist nur so, wenn er nicht all -mächtig ist. […] Durch die Jahre des Auschwitz-Wütens schwieg Gott […], weil er nicht konnte, griff er nicht ein.“ Hans Jonas: Der Gottesbegriff nach Auschwitz (1987), S. 39, 41. Auch Hans Jonas greift Epikurs Frage wieder auf. Die Elemente Allmacht, Allgüte und Leid in der Welt lassen sich nicht in eine gemeinsame Antwort integrieren. An zumindest einem von ihnen sind Abstriche zu machen. Beim Leid wird das etwas schwierig; das war im 17. Jahrhundert, als Leibniz lebte, so, und in den Jahrhunderten, auf die er und seine Zeitgenossen zurückblicken konnten, ebenfalls. Im 20. Jahrhun- dert war es nicht besser, eher sogar im Gegenteil, man denke nur an die Massen- morde der Nationalsozialisten, des Stalinismus, des Maoismus oder der Roten Khmer. Während Leibniz auf der Allmacht Gottes besteht, setzt Jonas auf dessen Güte. Vielleicht liegt das auch daran, dass Leibniz weniger an einen Gott dachte, an den er glauben konnte, als vielmehr an die Absicherung eines philosophischen Systems durch etwas Absolutes. Jonas hingegen wollte vielleicht nicht zuletzt seinen persönli- chen Glauben bewahren, was nach den Erfahrungen des nationalsozialistischen Genozids nicht leicht gewesen sein kann. Insofern zählt Jonas zu den Philosophen, die persönliche Religiosität mit philosophi- scher Reflexion zu verbinden suchen. Dies versuchte zum Beispiel auch Blaise Pascal, der meinte, auf Gottes Existenz müsse man wetten, man habe nichts zu verlieren, aber die Unendlichkeit zu gewinnen. S o ⁄ ren Kierkegaard, einer der ersten, die die menschliche Existenz ins Zentrum des Philosophierens rückten, ging von subjektiven Wahrheiten (Wahrheiten für mich) aus, die existentiell viel wichtiger als objektive Wahrheiten (z. B. grundlegende mathematische Definitionen) seien. Eine solche Wahrheit für mich war ihm der religiöse (in seinem Fall christliche) Glaube, der ganz grundsätzlich keiner Beweisbarkeit zugänglich sei. Man müsse sich dafür oder dagegen entscheiden, es gebe in solchen Belangen kein Räsonnement, nur ein Entweder-Oder. Im späten 20. Jahrhundert gab es verschiedene weitere Versuche, religiöse Vorstellun- gen und Konzepte in philosophisches Denken einzubeziehen, etwa bei Jacques Derrida, Jean-François Lyotard oder Gianni Vattimo. Zu dem in den späten 1990er-Jah- ren vorhergesagten philosophischen Turn to Religion ist es dann allerdings nicht gekommen. 1 AuSFüHrunG Hans Jonas (1903–1993) VerTieFunG O  Literaturempfehlung: Hent de Vries: Philosophy and the Turn to Religion (1999). úú Kapitel 10 Nur zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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