Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

313 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stimmen Sie der Auffassung von Hans Jonas zu? Bilden Sie sich ein Urteil und tau­ schen Sie Ihre Sichtweisen mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn aus! Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie das Verhältnis von Philosophie und Reli­ gion(en)! Wo liegen Ihrer Auffassung nach Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Stellen Sie Ihre Ergebnisse in einer Übersicht dar und präsentieren Sie diese in der Klasse! 2.7 Philosophische Religionskritik Sowohl die jüdische als auch die christliche Bibel erzählt die Geschichte von der Schöpfung der Welt und des Menschen so, dass Gott den Menschen nach seinem Abbild geschaffen habe (Bereschit/Genesis 1,26 f.). Vor allem im 19. und 20. Jahrhun- dert wurde demgegenüber mehrfach die Vermutung geäußert, es könnte sich genau umgekehrt verhalten: Die Menschen hätten sich ihre Gottheiten ausgedacht und nach ihrem eigenen Vorbild zurechtgelegt. Betrachtet man die antiken Gottheiten, wie sie etwa bei Homer begegnen, näher, so wird dies sehr deutlich. Die Göttinnen und Götter Homers sind eifersüchtig aufeinander und sogar auf die beklagenswerten Sterblichen (die Menschen), mischen sich ständig in deren Angelegenheiten ein, zetteln Kriege an, stiften ahnungslose Menschen zu Taten mit verheerenden Folgen an und verfüh- ren andere zu sexuellen Handlungen. Aber auch die Gottheiten der Bibel und des Koran tragen auffallend menschliche Züge. Man denke nur an den Gott des Buches Ijob/Hiob, der mit Satan um seinen treuesten Anhänger wettet und zustimmt, dass dieser zwecks Prüfung in tiefstes Elend gestürzt wird. Insbesondere Ludwig Feuer- bach und Sigmund Freud sprachen die Vermutung sehr pointiert aus, dass der Mensch Gott nach seinem Selbstbild geschaffen habe und nicht umgekehrt. Andere philosophische Autoren wie Arthur Schopenhauer, Karl Marx, Fritz Mauthner oder Bertrand Russell kritisierten aus unterschiedlichen Perspektiven den repressiven Charakter von institutionalisierter Religion. Für Marx war Religion bekanntlich Opium des Volkes , also ein Betäubungs- und Benebelungsmittel, mit dem Menschen davon abgehalten werden sollten, sich gegen ihre Unterdrückung aufzulehnen. Schopen- hauer konstatierte, dass die Argumente der Religionen hauptsächlich Drohungen seien. Wenn sie nicht wirkten, bliebe als letzte Maßnahme (ultima ratio theologorum) der Scheiterhaufen . Mauthner sah in der Abwendung vom Glauben an Gott einen emanzipatorischen Akt, einen Schritt zur Befreiung des Menschen aus Gefangenschaft und Knechtschaft . Für Russell war die Erzeugung und Aufrechterhaltung von Angst das hervorstechende Kennzeichen von Religion. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie die beiden genannten Richtungen der Religionskritik kurz mit eigenen Worten dar! Lesen Sie das Buch Ijob/Hiob! Welches Gottesbild wird dort entwickelt? Wie reagiert Gott auf Ijobs/Hiobs Beschwerden? Was würden Sie an Ijobs/Hiobs Stelle tun? Fassen Sie Ihre Überlegungen in einem Aufsatz zusammen! 2 r 3 t GrundlaGen O  Literaturempfehlung: Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung II (1859; 1988), S. 190. Fritz Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande I (1920), S. 8. Bertrand Russell: Warum ich kein Christ bin (1957; dt. 1982), S. 33 f. 1 2 Mensch-Sein 1 Mensch-Sein 1 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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