Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
347 genetische Eigenschaften, Hormonhaushalt und nur im Zusammenhang damit auch um anatomische Merkmale. So wird schon auf den ersten Blick deutlich, dass es sich durchaus um ein Problem handelt. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie Butlers Auffassung, dass auch das biologische Geschlecht als soziales und kulturelles Konstrukt anzusehen ist! Begründen Sie Ihre Stellungnahmen! 2.2 Der lange Schatten des Patriarchats Die Differenzierung des Menschenwesens in weibliche und männliche Varianten bringt aber nicht nur Grundsatz-, sondern auch Folgeprobleme mit sich – traditionell vor allem für Frauen. Denn die Gesellschaftsform des Patriarchats, die in weiten Teilen der Welt Jahrtausende lang bestimmend war und es häufig auch noch immer ist, sah eine deutliche Hierarchie zwischen den Geschlechtern (im Sinne von gender ) vor. Dabei rangieren Männer grundsätzlich oben und Frauen unten. Ausnahmen bestäti- gen diese Regel eher, als dass sie sie widerlegen. Frauen hatten Kinder zu gebären und großzuziehen, Männer im Leben zu stehen , zu kämpfen, zu arbeiten – und einige von ihnen auch zu regieren. In den Familien herrschten sie stets. Das patriarchale Konzept wurde mit Hilfe religiöser Lehren, der Rede von einer angeblich natürlichen Ordnun g der Welt, politischer Programmatik und im Zweifel mit Gewalt aufrechterhal- ten. Immer wieder gab es Frauen, die sich so laut und so massiv gegen diese Zumutungen auflehnten, dass die Geschichtsschreibung die eine oder andere Erinnerung an sie bewahrt hat. Während der großen politischen Revolutionen in Europa am Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten Frauen immer wieder, die Unterdrückung zu beenden. Die Schriftstellerin Olympe de Gouges etwa verfasste während der Französischen Revolution eine Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin – und wurde im Jahr 1793 hingerichtet. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch kämpften Frauen für elementare Grundlagen politischer und rechtlicher Gleichberechtigung wie das Wahlrecht, das Recht auf Schulbildung, das Recht zu studieren, einen Beruf ausüben oder ihr eigenes Vermögen verwalten zu dürfen, ohne jemanden fragen zu müssen, das Recht, sich entscheiden zu dürfen, wie sie leben wollten, mit wem, ob mit oder ohne Kinder. Erst im frühen 20. Jahrhundert konnten in einigen Ländern Europas und in Nordamerika einige dieser Rechte, insbesondere das gleiche und allgemeine Wahlrecht für Frauen erstritten werden, zumindest das aktive. Doch sollte es noch Jahrzehnte dauern, nämlich bis weit in die 1980er-Jahre, bis eine näherungsweise rechtliche Gleichstellung erfolgte. Darüber, ob sie heute vollständig erreicht ist, kann man streiten. Tatsache bleibt, dass sie, selbst wo ihr Vorliegen behauptet werden kann, nur in einem Teil der Welt vollzogen ist und in vielen Welt gegenden noch nicht einmal die ersten Schritte gesetzt worden sind. 3 t GrundlaGEn Olympe de Gouges (1748–1793) Aktives und passives Wahlrecht Das Recht, andere in ein politisches Amt (z. B. das einer/eines Abgeordne ten) wählen zu dürfen, nennt man aktives Wahlrecht. Die Berechti gung, in eine politische Funktion gewählt werden zu dürfen, heißt passives Wahlrecht. Mensch-Sein 2 Mensch-Sein 2 9 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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