Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
348 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Nennen Sie zentrale Elemente des patriarchalen Gesellschaftssystems! Stellen Sie Ihre Ergebnisse stichwortartig in einer Übersicht zusammen! Gibt es Bereiche, in denen in Österreich noch keine rechtliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern erfolgt ist? Sammeln Sie Ihre Ideen und recherchieren Sie im Internet! Bewerten und diskutieren Sie Ihre Ergebnisse mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/ Sitznachbarn. Die traditionalistischen Rechtfertigungen der männlichen Herrschaft, die sich auf biologisch-deterministische Argumente stützen, haben sich mit der Zeit verändert und als bemerkenswert anpassungs- und überlebensfähig erwiesen. Als die Kraft der religiösen Erklärungen im 19. Jahrhundert nachließ, wurde die traditionalisti- sche Begründung der Minderwertigkeit der Frau „wissenschaftlich“. Die darwinis- tischen Theorien bestärkten die Überzeugungen, denen zufolge es mehr auf das Überleben der Art ankam als auf die Erfüllung individueller Bedürfnisse. Ähnlich wie sich die Soziallehre der darwinistischen Idee vom Überleben der Bestent- wickelten zur Rechtfertigung der ungleichen Verteilung von Reichtum und Privi- legien in der amerikanischen Gesellschaft bediente, so rechtfertigten die wissen- schaftlichen Verteidiger des Patriarchats die Definition der Frauen durch ihre Mutterrolle und die Tatsache ihres Ausgeschlossenseins von Möglichkeiten in den Bereichen der Wirtschaft oder Bildung damit, dass dies im Interesse des Überle- bens der Gattung geboten sei. Gerda Lerner: Die Entstehung des Patriarchats (1991), S. 37. Die Historikerin Gerda Lerner skizziert hier einen Wandel im Versuch, patriarchale Herrschaft zu legitimieren: An die Stelle religiöser Begründungsweisen, denen zufolge männliche Dominanz auf ein göttliches Gebot zurückgehe, tritt im Zeitalter der Naturwissenschaften ein anderes Konstrukt, nämlich die Idee der Arterhaltung. Bei Lichte besehen ist dieses nicht weniger ideologisch, nicht nur, weil es ebenfalls von unbeweisbaren Überzeugungen getragen ist, sondern auch, weil es von einem Teil der Menschheit verlangt, sich für die Spezies aufzuopfern. Wenn wir von Patriarchat oder patriarchalen Strukturen sprechen, so ist damit weniger ein einheitliches, in sich geschlossenes Gebilde gemeint, sondern eher eine Art sehr anpassungsfähigen Modells sozialer und politischer Herrschaft. Es war und ist zum Teil durchaus für gewisse Veränderungen im Detail offen, sofern nur der Kern des Konstrukts gleich bleibt. Dieser Kern besteht in einem Gefälle sozialer und politischer Macht entlang der Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Mitgliedern einer Gesellschaft. Insofern sind patriarchale Strukturen nicht überwunden, wenn Frauen zwar eigenes Einkommen erwerben dürfen, dabei aber gleichzeitig über eine bestimmte Einkom- menshöhe oder über bestimmte Funktionen in Betrieben nicht oder nur selten hinausgelangen. 1 2 AuSfüHrunG VErTiEfunG Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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