Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
349 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie Beispiele, die Sie als Anzeichen für patriarchale Strukturen oder Reste davon in der Gesellschaft (in Österreich oder in Europa ganz allgemein) werten würden! 2.3 Frauen, Männer und Klischees Auch wenn die eklatantesten Diskriminierungen von Frauen auf rechtlicher und politischer Ebene in weiten Teilen Europas überwunden sind, bedeutet das noch lange nicht, dass damit auch die Vorstellungen beseitigt wären, die diesen Benachteiligun- gen zugrunde gelegen sind. Gewiss, viele Menschen sehen die Welt inzwischen auch anders. Damit einher geht auch ein gewandeltes Selbstverständnis nicht weniger Männer. Gleichwohl hat es den Anschein, als hielten sich andere Vorstellungen beharr- lich, und zwar nicht nur bei vielen Männern, sondern auch bei Frauen. Am deutlichs- ten wird dies vielleicht im Zusammenhang mit grundlegenden Lebensentwürfen. Wenn es etwa um die Frage geht, wer sich um Kinder kümmern und wer sich haupt- sächlich mit beruflichen Interessen beschäftigen soll, ist die allgemeine Meinung gleichermaßen schlicht wie traditionell. Sowohl der Kinderwunsch selbst als auch Fragen der Betreuung und Erziehung von Kindern seien typisch weiblich, während Männer eben eher in beruflichen oder sportlichen Tätigkeiten aufgingen. Frauen seien ja auch viel kommunikativer als Männer, würden dafür aber weniger von Technik verstehen. Sie seien mehr emotional engagiert, während Männer eher rational seien. Als wäre es nicht schlimm genug, dass derlei Klischees nach wie vor in breiten Bevölkerungsschichten geglaubt werden, muss man auch in schöner Regelmäßigkeit erleben, wie versucht wird, wissenschaftliche Nachweise dafür zu erbringen, etwa hirnphysiologische Gründe. Wo dies geschieht, wird die Anfälligkeit hirnphysiologi- scher Forschung für politischen Missbrauch sehr augenfällig. Ganz konkret stellt sich beispielsweise die Frage, wie es möglich sein soll, dass nur die Gehirne einer Mensch- heitshälfte so strukturiert sein sollten, dass ihren Inhabern das Einparken eines Autos möglich wäre. Seltsamerweise verursachen dann auch noch gerade jene Menschen, denen von manchen Gehirnforschern geringeres technisches Verständnis (auch beim Lenken eines Kraftfahrzeugs) attestiert wird, deutlich weniger Verkehrsunfälle als die angeblich natürlichen Experten. Man sieht also, dass hier noch vieles im Argen liegt. Daraus entstehen durchaus sehr handfeste Konsequenzen, etwa der Art, dass Menschen weiblichen Geschlechts im Berufsleben viel härter für ihre Karrieren kämpfen müssen. Als Arbeiterinnen oder Angestellte bekommen sie noch nicht einmal das gleiche Gehalt wie ihre Kollegen. Fragt man nach, so heißt es, Frauen würden ohnedies nicht lange im Betrieb bleiben, denn sie würden ja wohl Kinder haben wollen. Für deren Betreuung seien sie dann im Übrigen selbst zuständig, denn ausreichend Betreuungsmöglichkeiten gibt es bekanntlich nicht. Beruf und Familie unter diesen Rahmenbedingungen in eine für sie passende Balance zu bringen, ist für viele Frauen im Grunde nicht möglich. Für die meisten Väter stellt sich dieses Problem gar nicht, weil von ihnen grundsätzlich nicht erwartet wird, dass sie sich persönlich um ihre Kinder kümmern. 3 GrundlaGEn úú Kapitel 2 Mensch-Sein 2 Mensch-Sein 2 9 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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