Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
355 Vertragstheorien, die in der Aufklärungsphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts eine so große Rolle für die politische Theoriebildung gespielt haben, legen ihrerseits bestimmte Bilder vom Menschsein zugrunde. Für Hobbes war der Mensch dem Menschen ein Wolf oder ein Gott , der Naturzustand erschien ihm als Kampf aller gegen alle . Nur ein sterblicher Gott, der Souverän eben, für den er die Bezeichnung Leviathan verwendete (eine finstere Gestalt aus dem Buch Hiob der Bibel), konnte das Monstrum Mensch im Zaum halten. Für John Locke, der den Souverän längst nicht mit solch umfassender Macht ausstatten wollte, waren Menschen vernünftige Akteure, die sich nur aufgrund kriegerischer Gewaltexzesse aus einem friedlichen Naturzustand heraus begeben. Ein Herrschaftsvertrag wird zu Befriedungszwecken geschlossen, doch ist er jederzeit kündbar, wenn der Herrscher seine Grenzen über- schreitet, sich beispielweise am Eigentum der Bürger vergreift. Dann erkennt Locke ein Widerstandsrecht an, das sich unmittelbar aus dem Vertrag ergebe. Rousseau hingegen geht von friedlichen, gleichgestimmten Menschen aus, die sich in einem Gesellschaftsvertrag zusammenschließen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Interpretieren Sie das Wesen des Souveräns in Hobbes’ Konzept! Inwieweit findet dieses in der Abbildung oben Ausdruck? Lässt es sich in die heutige Zeit übersetzen? Wie könnte es dann konkret aussehen? Begründen Sie Ihre Überlegungen! Stimmen Sie Hobbes’ Ansicht zu, dass Menschen sofort aufeinander losgehen würden, wenn sie nicht durch Regeln und staatliche Strukturen davon abgehalten würden? Notieren Sie Ihre Überlegungen und diskutieren Sie gemeinsam darüber! 3.3 Ungesellige Geselligkeit Immanuel Kant hat die Ambivalenzen der menschlichen Existenz auf den Punkt gebracht: Einerseits wollen sich Menschen vergesellschaften. Es zieht sie zu anderen hin, zu anderen Einzelnen, zu kleineren und größeren Gruppen von Menschen. Andererseits möchten sie aber auch gern für sich sein. Mal überwiegt das eine Bedürfnis, mal das andere. Kant spricht von einem Antagonismus, den er sehr anschaulich als ungesellige Geselligkeit bezeichnet. Wir kommen von der Geselligkeit, von Gesellschaft im Großen wie im Kleinen, nicht los, aber gleichzeitig ist sie uns oft genug auch schwer erträglich. Dann müssen wir uns auf uns selbst zurückziehen. Für Kant drückt sich hier ein großer Plan der Natur aus, und es ist insofern nicht weiter verwunderlich, dass er die entsprechenden Überlegungen im Rahmen einer kurzen geschichtsphilosophischen Abhandlung äußert. Bliebe jeder für sich, so Kant, käme keine Entwicklung zustande, doch gälte Gleiches für den Fall eines arkadischen Schäferlebens , wir könnten heute auch sagen, eines glücklichen Ameisenhaufens. Beides wäre für Veränderungen äußerst ungünstig, es könnte keine Entwicklung stattfinden. Eine solche, dies nimmt Kant aber an, finde in der Geschichte der Men- schengattung als verborgener Plan der Natur statt. Hier argumentiert Kant ähnlich wie Hegel: Hinter dem Treiben der Menschen vollziehe sich eine vernünftige Entwick- lung zu etwas Besserem. Auch bei Kant folgt die Natur einem Plan der Selbstentfal- tung, an deren Ende vielleicht zwar kein absolutes Bewusstsein wie bei Hegel steht, VErTiEfunG 2 t 3 t GrundlaGEn Antagonismus Gegensatz, von gr. antagonízein , „wetteifern, mit jdm. kämpfen“ úú Kapitel 8.3.2 Mensch-Sein 2 Mensch-Sein 2 9 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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