Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
356 in der aber der Mensch eine zentrale Rolle spielt. Zumindest sollte man nach Kants Ansicht diese Idee als Leitfaden bei der Beurteilung historischer Abläufe heranziehen, die ansonsten als planloses Aggregat (Aufeinanderfolgen) menschlicher Handlungen erschienen. Doch auch wenn man dem nicht folgen will, bleibt doch unbestreitbar, dass die Spannung zwischen unterschiedlichen Strebungen im Menschen vorhanden ist. Auch wird man sagen können, dass sie ihren Beitrag zu einer Dynamik menschlichen Verhaltens leistet. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Erläutern Sie Kants Vorstellung der ungeselligen Geselligkeit des Menschen mit eigenen Worten! Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwicklung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird. Ich ver- stehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit des Menschen; d. i. den Hang derselben, in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist. […] aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. Immanuel Kant: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784) A 392, 398. Für Kant ist es nicht ein einziger Antrieb, der den Menschen steuert, sondern es ist gerade seine Zerrissenheit zwischen unterschiedlichen Strebungen, die ihn kennzeich- net. In dieser Hinsicht ähnelt sein Ansatz dem späteren von Sigmund Freud, bei dem es gerade auch Spannungsverhältnisse zwischen verschiedenen Triebkräften, Bewusstseinsebenen und psychischen Instanzen sind, die menschliches Empfinden und Denken kennzeichnen. Das krumme Holz des Menschenwesens allerdings, aus dem nichts ganz Gerades gezimmert werde n kann, lässt immer auch noch Spielräume offen und entzieht das Mensch-Sein einer abschließenden Erklärbarkeit, ohne deshalb ins Esoterische abzugleiten. Die Vorstellung, dass hinter menschlichem Handeln ein universeller Plan wirkt, der aber nicht von einer Gottheit hervorgebracht ist, sondern in der Natur selber liegt, war im 17. und 18. Jahrhundert durchaus verbreitet. So veröffentlichte der Arzt Bernard Mandeville ein weit verbreitetes Buch unter dem Titel „Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Tugenden“, das davon ausging, dass menschliches Handeln immer nur durch Eigennutz und persönliche Interessen motiviert sei. Aber im Konflikt der so motivierten Handlungsweisen entstünden Handel und Wirtschaft und in weiterer Folge blühende Gemeinwesen. Für den Philosophen Adam Smith entwickeln Märkte selbstregulierende Kräfte, für die Smith den Begriff invisible hand („unsichtbare Hand“) verwendete. 1 AuSfüHrunG VErTiEfunG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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