Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

360 3.6 Politische Menschenbilder In den meisten demokratischen Staaten Europas und Nordamerikas haben sich seit dem 19. Jahrhundert bestimmte Strömungen etabliert, die Politik auf der Basis von sehr konkreten Menschenbildern gestalten wollen. Es handelt sich um liberale, konservative und sozialdemokratische oder sozialistische Ansätze. Diese bilden noch heute die Grundlagen für politische Parteien. Im späten 20. Jahrhundert hat sich eine politische Strömung entwickelt, die ihren Fokus auf die Interaktion von Mensch und Umwelt legt; daraus sind „grüne“ Bewegungen und Parteien entstanden. Darüber hinaus gab und gibt es Parteien und Gruppierungen wie nationalistisch-völkische oder kommunistische Strömungen, die sehr weitreichende Eingriffe in jeweils bestehende Gesellschaftsstrukturen anpeilen. Sie gehen meist von einem einseitigen Welt- und Menschenbild aus, das sie aber gleichwohl für einzig wahr halten und von dem her sie Politik gestalten möchten. Wir können an dieser Stelle keinen Überblick über die Entwicklung politischer Ideen seit dem 19. Jahrhundert und ihrem Einfluss auf politisches Handeln geben. Lediglich die Konzepte des Mensch-Seins, die hinter den hervorstechenden Strömungen liegen, können wir kurz ansprechen. Liberale Konzepte gehen vom Individuum aus, das in seiner Gestaltungsfreiheit möglichst wenig beschränkt werden soll. Allerdings sind manche Individuen durchset- zungskräftiger als andere. Wo jedes Regulativ fehlt, können vor allem wirtschaftsli- berale Ansätze leicht ein Recht des Stärkeren begünstigen. Sozialliberale Positionen kreisen hauptsächlich um den Abbau von Einschränkungen und Zwängen wie etwa Heiratsverbote für bestimmte Menschen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit oder staatliche Überwachung. Sozialdemokratische Positionen setzen beim Kollektiv an; sie betrachten Menschen tendenziell eher als soziale Wesen denn als Individuen. Insofern ist es ihnen auch um soziale Gerechtigkeit zu tun. Aber brauchen wirklich alle Menschen dasselbe oder ist Gleichheit doch etwas anderes als gleiches Recht für alle? Für konservative Parteien sind Menschen ordnungsbedürftige Wesen; sie brauchen Regeln, um sich in der Welt zurechtzufinden. Zu viel Ordnung kann allerdings selbst für besonders ordnungslie- bende Menschen irgendwann sehr eng werden. Da sich diese Ordnungsvorstellungen meist auf das soziale Leben und persönliches Verhalten beschränken, konnten sie sich zumindest in der Praxis durchaus auch mit wirtschaftsliberalen Ansätzen verbinden. Politische Menschenbilder weisen also einen gewissen Hang zu Schablone und Vereinfachung auf. Das hängt auch damit zusammen, dass sie im Grunde weniger eine fundierte Anthropologie liefern, als vielmehr eine Identifikationsbasis für möglichst viele Wähler/innen schaffen wollen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn die genannten politischen Menschenbilder in einem Schaubild dar! Sind politische Menschenbilder für Sie von Bedeutung? Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie darüber! GrundlaGEn úú Kapitel 10 1 2 r Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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