Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

380 nach ihm vertrat John Stuart Mill, durchaus im Geist utilitaristischer Ethik, den Standpunkt, dass es nicht ganz gleichgültig und gleichwertig sei, worauf das Glücks- streben ziele und wodurch es vermittelt werde. Die Befriedigung kultureller und intellektueller Lust sei derjenigen körperlicher Lust vorzuziehen. Mill spricht von „higher pleasures“ . Würden sich Menschen nicht für sie entscheiden, gründe dies nicht in einer Überlegenheit der „lower pleasures“ , sondern in „Charakterschwäche“ oder darin, dass jemand „vornehmere Gefühle“ gar nicht erst entwickelt habe. Immerhin handle es sich bei der Fähigkeit, solche Gefühle zu empfinden, um eine „sehr zarte Pflanze“, die der Pflege bedürfe und „leicht zerstört“ werden könne. Mill fasst diese Überlegungen in einem bekannten polemischen Aphorismus zusammen: „Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedenes Schwein.“ Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie, ohne viel nachzudenken, zusammen, was für Sie Glück bedeutet. Notieren Sie Ihre Assoziationen und vergleichen Sie sie mit denen Ihrer/Ihres Sitznachbarin/ Sitznachbarn. Die Überzeugung die den Nutzen [utility] oder das Prinzip des Größten Glücks als Grundlage für Moral akzeptiert, meint, dass Handlungen in dem Maße richtig sind, als sie dazu tendieren, Glück [happiness] zu fördern, und insofern falsch, als sie das Gegenteil von Glück erzeugen. Unter Glück wird dabei Lust [pleasure] und das Fehlen von Leid verstanden; Unglück bedeutet Leid und die Abwesenheit von Lust. Um eine klare Sicht auf den moralischen Standard zu geben, den diese Theo- rie einrichtet, bedarf es vieler weiterer Ausführungen, im Einzelnen, was von den Begriffen [ideas] von Leid und Lust umfasst ist, und in welchem Ausmaß dies eine offene Frage bleibt. John Stuart Mill: Utilitarianism/Der Utilitarismus (2014), S. 22, 23. Mills Ausführungen erinnern stark an jene des griechischen Philosophen Epikur. Auch Epikur nannte Lust oder Freude (griechisch hedoné ; auch pleasure lässt sich mit beiden Wörtern übersetzen) als Ursprung und Ziel ( arché und télos ) des glücklichen Lebens. Auch Epikur definierte Lust als Abwesenheit von Unlust. Ähnlich wie später Mill betonte Epikur, dass Lust für ihn nicht in hemmungslosem Genuss bestehe. Was das „lustvolle Leben“ erzeuge, sei vielmehr „ein nüchterner Verstand, der die Gründe für jedes Wählen und Meinen aufspürt und die bloßen Vermutungen vertreibt, von denen aus die häufigste Erschütterung auf die Seelen übergreift“. Im Lauf der Zeit wurden verschiedene Varianten utilitaristischen Denkens entwickelt. Insbesondere die Frage, inwieweit individuelle Wünsche und Bedürfnisse im Namen des „Glücks der größten Zahl“ missachtet werden dürfen, ist dabei immer wieder aufgegriffen worden. Der australische Philosoph und Ethiker Peter Singer hat in diesem Zusammenhang eine Position bezogen, die auch als Präferenzutilitarismus bezeichnet wird. Singer geht davon aus, dass es bei allen Lebewesen bestimmte O  Literaturempfehlung: John Stuart Mill: Utilitarianism/Der Utilitarismus (2014), S. 32. 1 AuSFüHrung O  Literaturempfehlung: Epikur, Brief an Menoikeus 132; Übers. hier nach Epikur, Briefe · Sprüche · Werkfragmente. Griechisch/Deutsch. Übers. u. hg. v. HansWolfgang Krautz (1985), S. 49. VerTieFung úú Kapitel 8.1.5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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