Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]

382 Selbstzweckformel Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest. Grundformel [H]andle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde. Immanuel Kant: Grundlegung der Metaphysik der Sitten (1785/1786). Eine Einführung (2009) BA 65, BA 52. Kant formuliert den kategorischen Imperativ noch in anderen Varianten, die beiden zitierten geben allerdings den zentralen Gehalt desselben wieder. Die Selbstzweck- haftigkeit des Menschen bildet für Kant die Grundlage des kategorischen Imperativs. Dieser sei von der Vorstellung dessen abhängig, „was notwendig für jedermann Zweck ist, weil es Zweck an sich selbst ist, ein objektives Prinzip des Willens ausmacht, mithin zum allgemeinen praktischen Gesetz dienen kann“ (Kant, Grundlegung, BA 66). Die Grundformel ist wichtig, weil sie alle Varianten des kategorischen Imperativs auf eine griffige Formel herunterbricht. Für Kant kommt in ihr der kategorische Imperativ vollständig zum Ausdruck. Nicht unproblematisch ist hier der Begriff der „Menschheit“, mit dem Kants kategori- scher Imperativ letzten Endes steht und fällt. Häufig heißt es dazu, es handle sich um den Kern oder das „Wesen“ des Menschseins. Doch worin soll dieses bestehen? Kant selbst unterschied zwischen dem Menschen als homo phaenomenon und dem homo noumenon . Als homo phaenomenon ist der Mensch physisches Einzelwesen, als homo noumenon ein vernünftiges Wesen. Als solches gehöre es einer geistigen, intelligiblen Welt an, einer Welt der Zwecke, und auf diese Facette von Mensch-Sein bezieht sich der kategorische Imperativ. Den Menschen entlang von Konzepten wie Verstand oder Vernunft von anderen Lebewesen abgrenzen zu wollen, ist ein so altes wie problematisches Unterfangen. Es trägt metaphysische und stark ideologische Züge. So scheint es heute mehr als fragwürdig, Tieren so etwas wie Bewusstsein absprechen zu wollen, und damit können die Unterschiede zwischen Menschen und Tieren in Bezug auf ein Vermögen wie Verstand oder auch Vernunft nur graduell, nicht aber grundlegend sein. Anderer- seits kann man sagen, dass menschliches Denken immer die Grenzen menschlicher Möglichkeiten markiert. Wir wissen im Grunde nur sehr wenig über etwaige intellek- tuelle Möglichkeiten anderer Spezies. Insofern bleibt uns nicht viel anderes übrig, als unser moralisches Handeln an uns und unseresgleichen zu orientieren, auch wenn es sich dabei nur um eine handlungsleitende Hypothese handelt. Wir könnten etwa fragen, welche Folgen es haben wird, wenn wir unser Handeln an der Selbstzweckhaf- tigkeit von Menschen oder etwa an jener von Geld orientieren. Was ist vorzuziehen, welche Variante wird dem menschlichen Zusammenleben oder der Entfaltung von Möglichkeiten der/des Einzelnen zuträglicher sein? AuSFüHrung VerTieFung úú Kapitel 9.4 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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