Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
384 bestehlen oder zu ermorden. […] Was er dem Gericht darzulegen unterließ, war, daß er in jener „Zeit […] der von Staats wegen legalisierten Verbrechen“, wie er sie jetzt selber nannte, die Kantische Formel nicht einfach als überholt beiseite getan hat, sondern daß er sie sich vielmehr so zurechtbog, bis sie ihm […] befahl: „Handle so, daß der Führer, wenn er von deinem Handeln Kenntnis hätte, dieses Handeln billigen würde.“ […] Natürlich ist es Kant nie in den Sinn gekommen, das Prinzip des Handelns einfach mit dem Prinzip des jeweiligen Gesetzgebers oder den in ihm jeweils geltenden Gesetzen zu identifizieren […]. Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen (7. Aufl. 2013), S. 231 ff. Adolf Eichmann übte zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes als SS-Obersturm- bannführer und Referatsleiter im „Reichssicherheitshauptamt“ eine zentrale Rolle bei der Vertreibung und Deportation von Jüdinnen und Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager aus. 1960 wurde er von Agenten des israelischen Geheimdienstes in Argentinien aufgegriffen und nach Israel gebracht, wo er vor Gericht gestellt wurde. Zahlreicher Verbrechen gegen das jüdische Volk, die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt, wurde Eichmann schließlich schuldig gesprochen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Philosophin Hannah Arendt berichtete für die Zeitschrift „The New Yorker“ von diesem aufsehenerregenden Prozess. Sie beschied sich allerdings nicht mit einem journalistischen Prozessbericht, sondern verknüpfte ihre Eindrücke und ein fundiertes historisches Hintergrundwissen unter anderem mit einer moralischen Beurteilung Eichmanns sowie grundsätzlichen Überlegungen zur Natur „des Bösen“. Adolf Eichmann (im Glaskasten links) bei der Verkündung des Todesurteils am 14. Dezember 1961 in Jerusalem Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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