Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
389 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie weitere historische oder aktuelle Beispiele für den Wandel vorherrschender Wertvorstellungen! Bei allem Werthe, der dem Wahren, dem Wahrhaftigen, dem Selbstlosen zukom- men mag: es wäre möglich, dass dem Scheine, dem Willen zur Täuschung, dem Eigennutz und der Begierde ein für alles Leben höherer und grundsätzlicherer Werth zugeschrieben werden müsste. Es wäre sogar noch möglich, dass was den Werth jener guten und verehrten Dinge ausmacht, gerade darin bestünde, mit jenen schlimmen, scheinbar entgegengesetzten Dingen auf verfängliche Weise ver- wandt, verknüpft, verhäkelt, vielleicht gar wesensgleich zu sein. Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral 2 (3. Aufl. 1993), S. 16. Friedrich Nietzsche strebte eine gezielte „Umwertung aller Werte“ an. Den bestehen- den Wertvorstellungen schrieb er eine metaphysische oder religiöse Grundtendenz zu, die er ablehnte. Entscheidend sei, was „dem Leben“ förderlich wäre. Unabhängig davon arbeitet Nietzsche in der zitierten Stelle sehr pointiert die Relativität aller Wertvorstellungen heraus. Sie könnten leicht in ihr Gegenteil verkehrt werden, weil Wert ja nicht in einer Handlung oder Einstellung selbst liegt, sondern in dem dieser Handlung oder Einstellung Zugeschriebenen. Ändern sich die gesellschaftlichen Grundannahmen, so wandeln sich beinahe automatisch auch die vorherrschenden Wertvorstellungen. So galt es in bürgerlichen Schichten der meisten europäischen Gesellschaften des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als anrüchig, wenn Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Hundert Jahre später hat sich dies vollständig verän- dert. Denn auch die Vorstellungen davon, wer oder was Frauen und Männer sind, wie sie leben und handeln sollen, haben sich ganz grundlegend verändert, zumindest innerhalb des größeren Teils besagter Gesellschaften. Werte sind so wenig unbestritten, wie Gesellschaften einheitlich oder Kulturen festgefügt wären. In den meisten westlichen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts gilt etwa Leistung als Wert. Wer etwas leistet , solle auch etwas davon haben, also bei- spielsweise mehr Geld verdienen als jemand, der wenig oder nichts leistet . Diese Auffassung wird nicht selten auch von Personen geteilt, die sich unter Umständen schwer täten anzugeben, worin ihre eigenen Leistungen genau liegen. Gesetzliche Regelungen, die Leistung fördern sollen, stoßen daher auf allgemeine Zustimmung. Beförderungen von Leistungsträger/innen in einem Betrieb gelten als moralisch korrekt. Daneben bestehen aber auch kritische Einschätzungen, denen zufolge mit dem Begriff Leistung nur das Ausnutzen von Menschen, die Reduktion auf ihre Arbeitskraft, beschönigt werde. Zudem sei es definitionsabhängig, welche Tätigkeiten überhaupt als Leistungen eingestuft würden und welche nicht. Nicht selten würden als Leistungen vor allem Tätigkeiten gelten, die Geld einbringen. Solidarität sei aber ein wichtigerer Wert als Leistung . Findet sich innerhalb einer Gesellschaft für beide Ansätze eine ausreichende Zahl an Anhängerinnen/Anhängern, kann es zu einem Wertekonflikt kommen. 1 AuSFüHrung úú Kapitel 4.2 úú Kapitel 9.2 VerTieFung Ethische Grundpositionen Ethische Grundpositionen 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlag öbv
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