Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Philosophie Teil]
391 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Gruppen und diskutieren Sie darüber, woher Rechtsnormen ihre Gültigkeit beziehen! Begründen Sie Ihre Standpunkte! Drittens kann die höchste Gewalt keinem Menschen einen Teil seines Eigentums ohne seine eigene Zustimmung wegnehmen . Denn da die Erhaltung des Eigentums der Zweck der Regierung und das Ziel ist, weshalb Menschen in die Gesellschaft eintreten, so muss auch notwendigerweise vorausgesetzt und verlangt werden, dass sie Eigentum haben sollen. Andernfalls müsste man annehmen, dass sie bei ihrem Eintritt in die Gesellschaft gerade das verlieren würden, was der Zweck war, wes- halb die Menschen in die Gesellschaft eingetreten sind. Und das wäre doch wohl zu absurd, als dass es irgendjemand zugestehen könnte. John Locke: Zwei Abhandlungen über die Regierung, § 138. Hg. v. Walter Euchner (2. Aufl. 1983), S. 288. Locke fragt an dieser Stelle, warum Menschen überhaupt Teil einer Gesellschaft und damit einer Rechtsgemeinschaft werden. Für Locke ist es der Schutz des Eigentums, der sie dazu bringt, einen Herrschaftsvertrag zu schließen. Setzt sich aber die Gesetz- gebung (Legislative) über diesen grundlegenden Zweck hinweg, ist der Vertrag, also die Grundlage der Rechtsgemeinschaft, sinnlos geworden. Die Folgen naturrechtlicher Lehren sind so unterschiedlich wie ihre Grundannahmen. Ob von einem gottgegebenen höheren Gesetz ausgegangen wird oder von Zwecken, die Menschen aufgrund vernünftiger Überlegung setzen, macht einen grundlegenden Unterschied. Denn im einen Fall sind konkrete Machtverhältnisse unhinterfragbar, im zweiten Fall wird jede Form von politischer und rechtlicher Macht an bestimmten Vorgaben gemessen, die gewissermaßen ihre Rechtfertigung bilden. Die zweite Variante haben Sie eben bei Locke kennengelernt. Als Beispiel für die Erste kann das Rechts- und Politikverständnis gelten, das auf dem Wiener Kongress (1814/15) verkündet wurde. Nach der Niederlage Napoleons und mit ihm des nachrevolutionä- ren Frankreichs sahen die europäischen Herrscherhäuser die Gelegenheit zu einer Generalabrechnung sowohl mit der Aufklärung als auch mit der Revolution. Die Vertragstheorien wurden verworfen, stattdessen wurde zwischen Legalität und Legitimität unterschieden. Legalität wurde mit dem „bloßen Buchstaben des Geset- zes“ in Verbindung gebracht. Dieser konnte sich, etwa in Zeiten der Revolution, sehr rasch ändern und wurde dementsprechend ungünstig bewertet. Worauf es ankomme, sei Legitimität . Legitim , so wurde verfügt, sei ausschließlich jene Herrschaft, die auf Gottes Gnade gründe. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Lesen Sie die zitierte Textpassage und fassen Sie die zitierte Argumentation Lockes mit eigenen Worten zusammen! Beschreiben Sie die Folgen, die ein Rechtsverständnis wie der auf dem Wiener Kongress entwickelte Legitimitätsbegriff auf das Rechtsdenken haben kann! Begrün den Sie Ihre Einschätzung! 1 t AuSFüHrung úú Zu den Ver- tragstheorien des 17. und 18. Jahrhunderts Kapitel 9.3.2 VerTieFung 2 3 t Ethische Grundpositionen Ethische Grundpositionen 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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