Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

114 Die europäischen Mächte stehen hier vor ihrer entscheidenden Lebensfrage. Das Abendland ist in Gefahr. Ob ihre Regierungen und ihre Intelligenzschichten das einsehen wollen oder nicht, ist dabei gänzlich unerheblich. Das deutsche Volk jedenfalls ist nicht gewillt, sich dieser Gefahr auch nur versuchsweise preiszugeben. Hinter den anstürmenden Sowjetdivisionen sehen wir schon die jüdischen Liquidationskommandos, hinter diesen erhebt sich der Terror, das Gespenst des Millionenhungers und einer vollkommenen Anarchie. […] In Deutschland denkt heute kein Mensch an einen faulen Kompromiss, das ganze Volk denkt nur an einen harten Krieg. Aus Joseph Goebbels’ Rede im Berliner Sportpalast, 18. Februar 1943, In: Walter Schafarschik (Hg.), Herrschaft durch Sprache. Politische Reden. (2005), S. 46, 48. Anfang 1943 wurde die 6. Armee der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad vernich- tend geschlagen. Für die Heeresführung und die politischen Machthaber in Deutsch- land musste klar sein, dass der Zweite Weltkrieg für das „Dritte Reich“ damit verloren war. Anstatt daraus allerdings die Konsequenz einer Beendigung des Krieges zu ziehen, entschied sich das NS-Regime dazu, ihn noch über zwei Jahre auszufechten. In dieser Zeit wurde die Ermordung von Menschen, die nach nationalsozialistischer Definition als Jüdinnen und Juden galten, intensiviert. In Berlin hielt Propagandaminis- ter Joseph Goebbels vor fanatischen Anhängern eine Brandrede, die im Radio landes- weit übertragen wurde. Die oben zitierten Auszüge aus dieser Rede zeigen eine völlige Verdrehung der Tatsachen. Als nämlich Truppen der deutschen Wehrmacht 1939 in die Polen einfielen, wurden sie von sogenannten Einsatzgruppen der SS begleitet, die überall, wo die Armee Gebiete eroberte, Jüdinnen, Juden und kommunis- tische Funktionärinnen/Funktionäre ermordeten. Dieses Vorgehen wird hier der Sowjetunion und „jüdischen Liquidationskommandos“ angedichtet. Zugleich sugge- rierte Goebbels, dass „die europäischen Mächte“, also die Kriegsgegner Deutschlands, vor einem grundlegenden existenziellen Problem stünden, und nicht das Hitler-Re- gime. Generell sind Emotionen für Manipulationen sehr wichtig. Je weiter manipulative Verhaltensweisen in Gefühlswelten hineingehen, desto stärker wirken sie mitunter. Selbst Freundschaften und Liebe werden mitunter vorgetäuscht, um einen Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Die Manipulation basiert dann auf emotionaler Erpressung. Man wird doch einem/einer guten Freund/in oder einem verliebten Menschen einen kleinen Gefallen nicht verweigern wollen? Wir sind bereits auf sozialpsychologische Fragen des Einflusses von Gruppen oder größeren Men- schenmassen auf das Verhalten von Individuen eingegangen. Auch in diesem Zusam- menhang kann erheblicher emotionaler Druck entstehen, dem sich Menschen schwer oder gar nicht entziehen können – oder zu können meinen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Analysieren Sie die die manipulativen Elemente der zitierten Passage aus der Rede Goebbels! Geben Sie Beispiele für die im Vertiefungsteil angesprochenen unterschiedlichen Formen emotionaler Erpressung! AusFüHrunG VerTieFunG 2 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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