Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
115 4 Kommunikation und Beruf Beruflich haben Menschen viel mit anderen Menschen zu tun, oft auf engem Raum. Alles, was gesagt, getan oder angedeutet wird, ist mit Bedeutung aufgeladen. Sensibilität ist gefragt. 4.1 der Job als soziale Situation Im Zusammenhang mit sozialen Situationen haben wir bereits darauf hingewiesen, dass menschliches Verhalten von anderen in der Regel interpretiert wird und man versucht, kausale Erklärungen für dieses Verhalten zu finden (Attributionstheorie). Dabei besteht zugleich eine verbreitete Tendenz, Ursachen nicht so sehr in einer bestimmten Situation als vielmehr in der Person der/des Handelnden zu suchen. Kommt also jemand kurzatmig und verschwitzt, zudem noch mit leichter Verspätung zu einem Meeting, ist die Gefahr sehr groß, dass sein/e Chef/in meint, sie/er wäre schlecht organisiert oder hätte sich nicht ausreichend bemüht, entspannt und rechtzeitig zu dem Termin zu kommen. Besonders engagiert scheint sie/er also nicht zu sein. Tatsächlich ist die/der Betreffende überpünktlich von zuhause weggefahren, konnte dann nicht weiterfahren, weil ihr/sein Auto einen Motorschaden hatte. Nachdem sie/er den Pannendienst gerufen und dieser das Auto abgeschleppt hat (auf der Straße konnte es ja schlecht stehen bleiben), hat sie/er ein Taxi gerufen, aber das ist im Stau stehengeblieben, der sich im morgendlichen Berufsverkehr mittlerweile gebildet hat. Natürlich wird der/die Mitarbeiter/in sagen, dass sie/er ein Problem mit dem Auto hatte, aber wird der/die Chef/in das nicht vielleicht doch für eine Ausrede halten? Gut möglich, dass er/sie in der Folge nach weiteren Anzeichen Ausschau hält, die diese Vermutung bestätigen. Was andere von einem denken oder zu denken meinen, wird im beruflichen Umfeld eher Konsequenzen haben als im privaten Bereich. Alles, was wir über soziale Situationen, Gruppendynamiken und Manipulation gesagt haben, findet sich naturge- mäß auch im Job. Dort sind die Folgen aber meist dramatischer als anderswo, weil es hier immer auch um die ökonomische Existenz aller Beteiligten geht – zumal dann, wenn Arbeitsplätze knapp sind. Im Rahmen beruflicher Zusammenarbeit spielen vielfältige Formen der Kommunika- tion eine Rolle. Die Beteiligten haben oft viel miteinander zu tun und können einan- der im Konfliktfall auch räumlich schwer ausweichen. Insofern wäre ein hohes Maß an Sensibilität bei allem, was man am Arbeitsplatz zum Ausdruck bringt, verbal oder nicht verbal, empfehlenswert. Da Kommunikation stets mehrdeutig ist, könnte es im beruflichen Kontext von Vorteil sein, Beruf und Privates zu trennen, also Arbeitskolle- ginnen/-kollegen nicht auf private Weise zu nahe zu kommen. Andererseits verbrin- gen Menschen mit ihren Arbeitskolleginnen/-kollegen oft weitaus mehr Zeit als mit Freundinnen/Freunden, Ehe- oder Lebenspartnerinnen/-partnern oder Familienange- hörigen. Insofern ist es schwierig, ein persönlich distanziertes Verhältnis aufrechtzu- erhalten. Oft ist das auch gar nicht sinnvoll, weil es für berufliche Zusammenarbeit oft wichtig ist, Vertrauensverhältnisse aufzubauen, die über den Rahmen einer rein professionellen Beziehung hinausgehen. Außerdem spricht gar nichts dagegen, GrundlaGen Nur zu Prüfz ecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=