Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

124 Mittwochsgesellschaft angehörte, war die Ärztin Margarete Hilferding. Später nahmen die Ärztin Sabina Spielrein und die Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé aktiv und mit eigenwilligen Beiträgen an den Sitzungen teil. Die vermögende Schriftstelle- rin Marie Bonaparte unterstützte Freuds Sache nicht nur finanziell. Ihre eigenen Forschungen kreisten um Fragen der weiblichen Sexualität. Später befasste sie sich mit den verheerenden psychischen Folgen der Genitalbeschneidung und unternahm dazu ausgedehnte Forschungsreisen nach Afrika. Sigmund Freuds jüngste Tochter, Anna, war später maßgeblich an der Entwicklung der Ich-Psychologie beteiligt und widmete sich intensiv der psychoanalytischen Arbeit mit Kindern. Nicht weniger wirkungsmächtig ist auch das Werk ihrer Kritikerin Melanie Klein, die ebenfalls bahnbrechend auf dem Gebiet der Kinderpsychoanalyse arbeitete und sich intensiv mit dem Thema Todestrieb auseinandersetzte. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Recherchieren Sie im Internet und in der InternetErgänzung zum Thema Hysterie ! Erklären Sie, warum der Begriff heute als eher problematisch gilt! Beurteilen Sie gemeinsam mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn den Umstand, dass bis vor wenigen Jahrzehnten nur Freud und einige seiner männlichen Kollegen als „Gründer der Psychoanalyse“ bezeichnet wurden! 1.2 Andere tiefenpsychologische Richtungen Viele Kolleginnen/Kollegen und Anhänger/innen Freuds wandten sich im Lauf der Zeit von der Mittwochsgesellschaft sowie von manchen Aspekten der Freud’schen Theoriebildung ab. Freud selbst veränderte seine Theorien und entwickelte sie weiter, scheint aber dahin tendiert zu haben, auf der jeweils vertretenen Position zu behar- ren und für Kritik nicht gerade sehr zugänglich gewesen zu sein. Die meisten dieser Konflikte kreisten um unterschiedliche Auffassungen zur Triebtheorie. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu bedenken, dass Freud ursprünglich Neurologe, Natur- wissenschafter, war, und er sich psychische Phänomene als Energiebewegungen vorstellte. Diese Energie hatte einen Ursprung, sie baute sich auf und kam an irgend- einer Stelle zur Entladung – oder wurde, mit ungünstigen Folgen für das Gesamtsys- tem, unterdrückt. Diese Überlegung findet im Triebkonzept Ausdruck. Das Wort Trieb weist bereits eine dynamische Dimension auf, liegt im doch das Verb treiben zugrunde. Außerdem lässt es an Antrieb denken. Triebe sind für Freud energetische Momente, die den Organismus auf etwas, ein Ziel (welcher Art immer) hinstreben lassen. Die Quelle eines Triebes ist nach Freud ein Reiz, ein Spannungszustand, sein Ziel die Aufhebung dieses Spannungszustandes. Den für Freud wichtigsten, zugleich lebensfördernden und -erhaltenden, Trieb nannte er Libido oder (später) Eros . Nicht ganz zu Recht wurde die Libido im Sinne Freuds von vielen mit Sexualität gleichgesetzt. Daraus ergaben sich Konflikte, weil beispielsweise Alfred Adler, zunächst ein wichtiger Mitstreiter Freuds, darin eine Reduktion auf biologische Faktoren sah. Adler betonte die Bedeutung kultureller Faktoren und vertrat die These, dass das Gefühl der Minderwertigkeit, das nicht nur auf biologischen Anlagen gründe, sondern auch viel mit den Folgen von Erziehung zu tun habe, ein besonders wichtiger 2 3 r GrundlaGen úú Kapitel 4.2.2 und Kapitel 5.1.2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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