Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
127 Freud präsentierte das erste Modell dieser Art in seinem Werk „Die Traumdeutung“, das Ende 1899, allerdings schon mit dem Erscheinungsjahr 1900 veröffentlicht wurde. Hier unterschied er zwischen Bewusstem, Unbewusstem und Vorbewusstem . Als unbewusst gilt dabei zunächst, was eben nicht bewusst ist, also aktuell nicht ohne weiteres abgerufen werden kann. In Hinblick auf dynamische psychische Abläufe enthält das Unbewusste all das, was aus dem vorbewussten und bewussten System verdrängt wurde. Verdrängung bezeichnet dabei einen Abwehrmechanismus, der bestimmte Inhalte von der Sphäre des Bewussten und Vorbewussten fernhält. Weil etwas (ein Gedanke, eine Erinnerung) nicht ertragen werden kann oder als unerlaubt eingestuft wird, erfährt es eine Verschiebung ins Unbewusste. Die mit ihm verbun- dene psychische Energie bleibt aber erhalten, wird nun allerdings im Unbewussten wirksam. Das Vorbewusste ist in diesem Modell zwischen Bewusstem und Unbewus- stem angesiedelt. Es markiert gewissermaßen die Zensur, die der psychische Apparat ausübt. Inhalte, die vom Vorbewussten nicht akzeptiert werden, können auch nicht ins Bewusste gelangen. Später hat Freud ein weiteres Modell entwickelt, das nicht zuletzt erklären soll, weshalb manche Inhalte verdrängt werden. Die Elemente dieses Modells, das eben- falls topisch und dynamisch konzipiert ist, heißen Es, Ich und Über-Ich . Als Es bezeich- net Freud jenen Bereich der Psyche, aus dem sexuelle wie aggressive Triebregungen stammen. Durch Erziehung, Orientierung an Normen und Werthaltungen, aber auch kritische und vernünftige Überlegung entsteht das Ich. Die Welt der Erziehung und vor allem der daraus übernommenen Normen bildet die Sphäre des Über-Ichs. Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Triebansprüchen des Es, den Forderungen des Über-Ich und den Abwehraktivitäten des Ich, die oft auch Triebaufschub bedeu- ten, stellt nach Freuds Auffassung so etwas wie psychisches Gleichgewicht dar. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Stellen Sie Freuds topischdynamische Modelle der menschlichen Psyche in zwei Schaubildern dar! Das Ich entwickelt sich von der Triebwahrnehmung zur Triebbeherrschung, vom Triebgehorsam zur Triebhemmung. An dieser Leistung hat das Ich-Ideal, das ja zum Teil eine Reaktionsbildung gegen die Triebvorgänge des Es ist, seinen starken Anteil. […] Aber andererseits sehen wir dasselbe Ich als armes Ding, welches unter dreierlei Dienstbarkeiten steht und demzufolge unter den Drohungen von drei Gefahren leidet, von der Außenwelt her, von der Libido des Es her und von der Strenge des Über-Ichs. Sigmund Freud: Das Ich und das Es (1923), in: Sigmund Freud: Psychologie des Unbewußten (7. Aufl. 1994), S. 322. Freud beschäftigt sich hier mit den Ambivalenzen, denen das Ich, das weitgehend auch der bewussten Persönlichkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs entspricht, unterliegt. Aus dieser Sicht ist das Ich zahlreichen Gefahren ausgesetzt, und diesen Gefahren entsprechen diverse Ängste. Schließlich muss das Ich ständig zwischen Ansprüchen vermitteln, die letzten Endes in einem unlösbaren Widerstreit zueinander stehen. Dies galt insbesondere zur Zeit Freuds mit ihren engen und rigiden Erzie- 1 AuSFüHrunG Persönlichkeit und Entwicklung Persönlichkeit und Entwicklung 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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