Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
128 hungskonzepten, vor allem in Hinblick auf die menschliche Sexualität. Eine Minderung des Drucks auf das Ich ist nämlich im Rahmen von Freuds Ansatz nur durch geringere Forderungen des Über-Ichs zu erreichen. Die Psychoanalyse versucht, zu den verdrängten Inhalten des Unbewussten vorzudrin- gen und auf diese Weise die Ursachen vorhandener psychischer Probleme zu begrei- fen, um in weiterer Folge an ihrer Behebung oder einer Linderung des Leidensdrucks arbeiten zu können. Doch wie kann dies geschehen, wenn die Inhalte des Unbewus- sten dem bewussten Teil der Psyche definitionsgemäß nicht zugänglich sind? Nach Freud erfolgt dies im Zusammenwirken zwischen Patient/in und Analytiker/in. Der/Die Patient/in spricht dabei möglichst ohne innere Zensur aus, was ihm/ihr gerade in den Sinn kommt. Freud zufolge ist eine liegende Position dafür günstig, weil es keine Ablenkung gibt und die/der Liegende nicht sieht, wie der/die Analytiker/in reagiert. So sollen wechselseitige kommunikative Beeinflussungen von vornherein ausge- schlossen werden. Der/Die Analytiker/in interpretiert sodann die scheinbar unzusam- menhängenden Aussagen im Wissen um die Funktionsweisen des psychischen Apparats. Der „Königsweg“ zum Unbewussten ist für Freud allerdings die Deutung von Träumen. Denn im Schlaf sei die Zensur des Vorbewussten geschwächt, und so würden sich unbewusste Inhalte in Träumen am deutlichsten offenbaren. Das Unbe- wusste sei beständig bemüht, Wünsche zu erfüllen, und diesem Bemühen gehe es auch im Traum nach. Für Freud ist daher jeder Traum die Inszenierung einer Wunsch erfüllung. Allerdings müssten verdrängte Vorstellungsinhalte, schon um der Zensur des psychischen Apparates zu entgehen, oft verschoben oder durch andere Inhalte ersetzt werden. Das Unbewusste arbeite dabei mit unterschiedlichen Methoden wie Verdichtung (mehrere Inhalte werden komprimiert), Verschiebung (Ersatz von Wörtern durch Bilder) oder Verkehrung (Erschrecken statt Freude, weil Freude in einer bestimmten Situation unangemessen erschiene). Durch genaue Analyse von Träumen könne vom manifesten, scheinbar wirren und unzusammenhängenden Trauminhalten auf ihnen zugrundeliegende (latente) Traumgedanken geschlossen werden. Schon aufgrund dieser Arbeitsweise des Unbewussten bei der Entstehung von Träumen folgert Freud, dass es zugleich auch der Ort von Kreativität und Intuition sei. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Erörtern Sie mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn die Frage, weshalb das Ich bei Freud in einer so bedrängten Position ist! Träume hinterlassen zumeist wirre, unzusammenhängende Erinnerungen. Inwiefern könnte aber gerade das eine eigene Logik offenbaren? Finden Sie Argumente dafür anhand der Überlegungen Freuds! 1.4 Entwicklungen und Fehlentwicklungen Die Art und Weise, in der sich das Ich zwischen Trieben (Es) und erziehungsbedingten Normen (Über-Ich) behaupten soll, legt bereits nahe, dass Freud der Beziehung zwischen einem heranwachsenden Menschen und seiner Umgebung große Bedeu- VerTieFunG latent von lat. latere , „verborgen sein“; Latentes ist zwar vorhanden, aber (noch) nicht unmittelbar zu erkennen. 2 3 GrundlaGen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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