Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
162 Die Sublimierung ist ein Prozess an der Objektlibido und besteht darin, dass sich der Trieb auf ein anderes, von der sexuellen Befriedigung entferntes Ziel wirft; der Akzent ruht dabei auf der Ablenkung vom Sexuellen. Sigmund Freud: Zur Einführung des Narzissmus (1914), in: Sigmund Freud: Psychologie des Unbe wussten (7., korr. Aufl. 1994), S. 61. Freud, der von seiner eigenen Ausbildung her Arzt, Neurologe war, betrachtete psychische Triebe als Energieformen, die von bestimmter Intensität sind und in eine bestimmte Richtung fließen. Aus Freuds Sicht wird bei der Sublimierung sexuelle Triebenergie von einem (Liebes-)Objekt abgezogen und in eine andere Richtung geleitet. Die psychische Energie ist gleichwohl noch immer vorhanden, der Energie- schub von gleicher Intensität richtet sich aber nun auf künstlerische oder wissen- schaftliche Hervorbringungen. Ein Trieb wäre also ein dem belebten Organischen innewohnender Drang zur Wie- derherstellung eines früheren Zustandes , welchen dies Belebte unter dem Einflusse äußerer Störungskräfte aufgeben musste, eine Art von organischer Elastizität, oder wenn man will, die Äußerung der Trägheit im organischen Leben. […] Wenn wir es als ausnahmelose Erfahrung annehmen dürfen, dass alles Lebende aus inneren Gründen stirbt, ins Anorganische zurückkehrt, so können wir nur sagen: Das Ziel alles Lebens ist der Tod , und zurückgreifend: Das Leblose war früher da als das Lebende. […] Aber besinnen wir uns, dem kann nicht so sein! In ein ganz anderes Licht rücken die Sexualtriebe […]. Sigmund Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920), in: Sigmund Freud: Psychologie des Unbewussten (7., korr. Aufl. 1994), S. 246ff. Diese Textpassage ist nicht zuletzt ein gutes Beispiel für das Vorgehen Freuds in seinen Schriften. Freud hat eine Reihe von Fragen und Probleme in einer bestimmten Art und Weise erstmals erörtert. Er zog dabei durchaus medizinische und philosophi- sche Kenntnisse heran, bezog sich aber stark auf eigene Erfahrungen und Überlegun- gen. Er näherte sich seinen Themen oft vorsichtig und tastend, wog Argumente gegeneinander ab und sah zuweilen auch von Antworten ab. Manche Themen griff er immer wieder auf und entwickelte sie weiter. Freuds Schriften sind also auch ein Zeugnis dafür, wie wissenschaftliche Theoriebildung entsteht, sich entwickelt und verästelt. Anders als manche von Freuds Anhängerinnen/Anhängern noch heute meinen, sind sie hingegen weder eine Sammlung von Dogmen noch von feststehen- den Lehrsätzen. Auf die geschilderte Weise gelingt es Freud, auch Prozesse, die nicht unmittelbar mit sexuellen Regungen zu tun haben oder zumindest nicht zu tun haben scheinen, in seine Triebtheorie zu integrieren. Er muss sie insofern nicht anderswo, außerhalb derselben ansiedeln. Auch dieser Umstand trug dazu bei, der Psychoanalyse den Vorwurf einzutragen, sie sei auf sexuelle Themen fixiert. Das ist aber gerade in dieser Hinsicht nicht der Fall. Freud versuchte, sämtliche menschliche Aktivitäten in seine Triebtheorie zu integrieren. Insofern ist sein Modell geeignet, ganz unterschiedliche Formen menschlichen Handelns schlüssig im Blick auf zwei Quellen von Antriebsener- auSFührunG VErtiEFunG O Literaturempfehlung: Sigmund Freud: Das Ich und das Es (1923), in: Sigmund Freud: Psychologie des Unbewussten (7., korr. Aufl. 1994), S. 307. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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