Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
166 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Gruppen und definieren Sie gemeinsam eine Grenzziehung: Wo fängt für Sie persönlich aggressives Verhalten an? Begründen Sie Ihre Entscheidungen und geben Sie Beispiele! Der vieldeutige Gebrauch des Wortes „Aggression“ hat in der umfangreichen Lite- ratur zu diesem Thema große Verwirrung hervorgerufen. […] Nehmen wir zum Beispiel [Konrad] Lorenz; er verstand ursprünglich unter Aggression einen biolo- gisch notwendigen, im Laufe der Evolution entwickelten Impuls, der im Dienste des Überlebens des Einzelwesens und der Art steht. Aber da er den Begriff „Aggression“ auch auf Blutdurst und Grausamkeit anwandte, folgt daraus, dass diese irrationalen Leidenschaften ebenfalls angeboren sind. Da angenommen wird, dass die Ursache der Kriege die Lust am Töten ist, so ist die weitere Konsequenz, dass die Kriege durch einen der menschlichen Natur angeborenen destruktiven Trieb verursacht werden. […] Ich habe in diesem Buch den Begriff „Aggression“ für Reaktionen und Abwehr gegen Angriffe benutzt, die ich zusammenfassend als „gutartige Aggression“ bezeichne. Die spezifisch menschliche Leidenschaft zu zer- stören und absolute Kontrolle über ein Lebewesen zu haben (die bösartige Aggres- sion) dagegen bezeichne ich als „Destruktivität“ und „Grausamkeit“. Erich Fromm: Anatomie der menschlichen Destruktivität (1974), S. XV f. Der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm weist in der zitierten Textstelle auf die Schwierigkeiten hin, den Begriff Aggression überhaupt angemessen zu definieren. Das Problem liegt darin, dass mit diesem Begriff höchst unterschiedliche Verhaltens- weisen bezeichnet werden, die teilweise sogar im Gegensatz zueinander zu stehen scheinen. Fromm erwähnt ein Buch des Arztes, Zoologen und Verhaltensforschers Konrad Lorenz aus dem Jahr 1963, „Das sogenannte Böse“, in dem dieser die These entfaltet, dass menschliche Aggression in all ihren Facetten angeboren und evolutionsbiolo- gisch bedingt sei. Wir sind ihm bereits begegnet. Auch Fromm geht von einer biologischen Dimension dessen aus, was er positive Aggression nennt. Gewalt, Krieg und Mord hält er hingegen für Ergebnisse histori- scher Entwicklungen. Das Problem an seiner Argumentation besteht darin, dass er von einer wissenschaftlichen oder auch philosophischen Klassifizierung unvermittelt in ethische Wertungen wechselt. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Lesen Sie die zitierte Textpassage und fassen Sie sie mit Ihren eigenen Worten zusammen! Erläutern Sie die Argumentationslinie Fromms im zitierten Abschnitt! Inwiefern scheint sie Ihnen nachvollziehbar, in welcher Hinsicht könnte sie problematisch erscheinen? 1 r auSFührunG VErtiEFunG úú Kapitel 3.4.3 2 3 t Erich Fromm (1900–1980) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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