Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
167 2.2 Ursachen Nach Ansicht vieler Evolutionsbiologinnen/-biologen liegen Aggressivität und Gewalt- bereitschaft gewissermaßen im Wesen des Menschen begründet. Sie hätten sich aufgrund der Erfordernisse des Überlebens in einer feindlichen Umwelt über zigtau- sende von Jahren entwickelt. Ob Aggression etwas typisch Menschliches ist, ist allerdings umstritten. Auch bei (anderen) Tieren finden sich aggressive Verhaltenswei- sen. Spezifisch menschlich scheint allerdings der Umstand, dass Aggression und Gewalt teils selbstzweckhaft eingesetzt werden. Menschen quälen und foltern andere Menschen teils systematisch ohne irgendeinen anderen Grund dafür zu haben als den der Freude an diesen Handlungen. Situationen und kulturelle Rahmenbedingungen können Aggressions- und Gewalt- handlungen begünstigen oder zu ihrer Einschränkung beitragen. Menschen können sich durch Verhaltensweisen anderer provoziert fühlen (ob zu Recht oder zu Unrecht). Selbst große Hitze kann aggressive Stimmungen fördern. In kultureller Hinsicht ist es denkbar, dass in einer sozialen Gruppe nur sehr geringe Toleranzgrenzen in Bezug auf die Kränkung dessen bestehen, was landläufig als Ehre bezeichnet wird. In diesem Fall können sich Menschen gezwungen sehen, bei geringsten Beleidigungen hand- greiflich zu werden, weil sie ansonsten ihren Ruf und ihren sozialen Status innerhalb der Gemeinschaft gefährden oder gar einbüßen würden. Auch Modelle von Aggression in einer Gesellschaft können deren Entstehen begünsti- gen. Wenn etwa kleine Kinder schon mit Videospielen aufwachsen, in denen es nur darum geht, möglichst viele Figuren zu töten, lernen sie sehr früh, dass Aggression eine zulässige und auch geeignete Form ist, mit Konflikten umzugehen. Nicht zuletzt stellt auch die Verknüpfung eines noch immer vorherrschenden Konzepts von Männlichkeit mit Gewaltbereitschaft ein solches Modell von Aggression dar. Buben, denen die Regel Schlag zu, bevor es der andere tut nahegebracht wird, tendieren vielleicht eher dazu, Konflikte mit Gewalt auszutragen, als wenn sie andere Modelle der Konfliktbewältigung lernen. Nicht zuletzt kann das Ausleben von feindseligen Gefühlen oder Affekten die Aggres- sions- und Gewaltbereitschaft steigern. Wenn Gefühle wie Wut, Hass oder Verachtung für Individuen oder Gruppen von Individuen unreflektiert und unkritisch gelebt werden und womöglich auch noch Feindbilder zur Verfügung stehen, denen gegen- über die Feindseligkeit ausgelebt werden darf, ohne dass mit sozialer Missbilligung zu rechnen ist, steigt die Gefahr, dass den feindlichen Gefühlen auch gewaltförmige GrundlaGEn úú Kapitel 4 Hunde und Katzen zeigen eine aggressive Einstellung in Form von Drohgebärden. Motive menschlichen Handelns Motive menschlichen Handelns 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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