Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
186 sehr geringe Rolle, ausgegangen wird von ganz bestimmten, aktuellen Problemen. Diese sollen nicht nur bewältigt, sondern regelrecht behoben werden. Dies geschieht im Rahmen gezielter Verfahren des Lernens oder, besser gesagt, des Umlernens. In verhaltenstherapeutischer Sprache ist in diesem Zusammenhang von operanter Konditionierungen die Rede. Dabei geht es um Lernen aus Konsequenzen. Die Bezeich- nung operante Konditionierung geht auf den Verhaltenstherapeuten Burrhus Frederic Skinner zurück. Er griff die These des Psychologen Edward Thorndike auf, wonach Reaktionen der Umwelt auf ein Verhalten deutliche Auswirkungen auf weitere Verhaltensweisen haben. Operantes Verhalten (operant behavior) bezeichnet das Verhalten eines Lebewesens, das in Reaktion auf Einflüsse seiner Umwelt erfolgt. Beispielsweise hat sich A als Kind in ein Tischtuch geschnäuzt. Seine Umgebung hat darauf mit Missbilligung und Verboten reagiert, woraufhin A begonnen hat, sich in Taschentücher zu schnäuzen. Die aus der Umwelt empfangenen Reize können das Verhalten verstärken ; etwa wenn ein Kind schreit, weil es Hunger hat. Die Erfahrung, in diesem Fall Nahrung zu bekom- men, verstärkt sein Verhalten bei Auftreten desselben Reizes (Hunger). Neben solchen primären, natürlichen Verstärkern gibt es sekundäre Verstärker, die erlernt sind und deren Vorhandensein auch sehr von den Erfahrungen eines Individuums abhängt. Hat jemand (B) beispielsweise gelernt, ein Kopfnicken als Zustimmung zu deuten, kann das Nicken einer anderen Person während einer Diskussion als Ermunterung aufge- fasst werden. B wird in seinem Auftreten vielleicht mutiger; in diesem Fall hat das Kopfnicken als Verstärker gewirkt. Zieht ein Verhalten gar keine Verstärker mehr nach sich, wird es nach einer Zeit aufgegeben (operante Löschung) . Neben Verstärkern kennt das Modell der operanten Konditionierung auch Effekte, die aus Bestrafungen folgen. Bestrafungen erfolgen als negative Reize oder Entzug eines angenehmen Reizes. Die Bestrafung muss aber nicht durch andere Personen zugefügt werden, sie kann sich auch aus der Situation selbst ergeben. Zu denken ist etwa an Schmerzen, wenn man eine Hand auf eine heiße Herdplatte legt. Auch hier wird in der Folge mit Vermeidung reagiert. Im Rahmen von Verhaltenstherapien werden diese lerntheoretischen Annahmen genutzt, um bestimmte Verhaltensweisen ab- oder anzutrainieren. Verhaltensweisen, die die/den Patientin/Patienten stören oder für ihre/seine Umwelt so störend wirken, dass dadurch Leidensdruck entsteht, werden als Ergebnis fehlgeleiteter Lernprozesse betrachtet. Dem könne gegengesteuert werden, indem das unerwünschte Verhalten verlernt und andere Verhaltensweisen gelernt werden. Verhaltenstherapeutin- nen/-therapeuten geben ihren Patientinnen/Patienten dazu nicht nur konkrete Anleitungen, sondern üben auch mit ihnen zusammen. Fürchtet sich also Frau/Herr C vor engen Räumen und kann sich deshalb nicht überwinden, einen Fahrstuhl zu betreten, so würde ein/e Verhaltenstherapeut/in unter anderem auch mit ihr/ihm Fahrstuhl fahren, bis die Hemmung überwunden ist. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Finden Sie weitere Beispiele für operante Konditionierung und erläutern Sie Ihrer/ Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn! 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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