Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
28 3 Schulen, Richtungen, Strömungen Wie in jeder Wissenschaft gibt es auch in der Psychologie unterschiedliche Auffassungen darüber, wie der eigene Gegenstand genau definiert und wie er behandelt werden soll. Daraus folgen Unterschiede in Ausprägungen, Methoden und Arbeitsweisen. 3.1 Psychologie als akademisches Fach Als wissenschaftliche Disziplin an Universitäten hat sich die Psychologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etabliert. Schon damals gab es unterschiedliche Ansätze, die aber alle darum kreisten, Inhalte oder Funktionen des Bewusstseins zu untersuchen. Als besonders wichtige Methode wurde schon früh das Experiment betrachtet. So gründete der Arzt und Psychologe Wilhelm Wundt bereits 1879 in Leipzig ein Labor für experimentelle Psychologie. Dort wurden Methoden aus der experimentellen Physik, Physiologie, Ethnologie und angewandten Mathematik (Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechnung) auf psychologische Fragestellungen ange- wandt. 1890 veröffentlichte der Philosoph und Psychologe William James unter dem Titel „Principles of Psychology“ ein umfangreiches Werk, das den Stand der wissen- schaftlichen Psychologie seiner Zeit zusammenzufassen versuchte. Gleichzeitig arbeitete James eine Theorie des Selbst und des Ich aus, um die Frage nach Funktions- weisen des Bewusstseins zu klären oder immerhin voranzutreiben. Die Einrichtung psychologischer Lehrstühle an US-amerikanischen Universitäten verdankte sich maßgeblich der Arbeit von James. Auch in weiterer Folge entwickelte sich die Psychologie in Auseinandersetzung mit anderen Wissenschaften weiter. Insbesondere die Medizin, später die Neurowissen- schaften übten und üben großen Einfluss aus. Heute spielt die Gehirnforschung auch in der Psychologie eine große Rolle; sie wird teils auch von Psychologinnen/Psycholo- gen betrieben, maßgeblich allerdings von den sogenannten life sciences Medizin und Biologie getragen. Ähnlich große Bedeutung hatten und haben einige Theoriegebäude, die ebenfalls aus dem medizinischen Umfeld stammen, aber aus heutiger Perspektive eher in den Bereich der Psychotherapie gehören. Vor allem handelt es sich hierbei um tiefenpsy- chologische Ansätze, und hier besonders um die Psychoanalyse und deren diverse Verzweigungen. Wie schon angedeutet, spielte und spielt auch die Verhaltensfor- schung immer wieder eine Rolle für die psychologische Theoriebildung und für Analogieschlüsse. Insbesondere Forschungen mit Primaten, deren genetische Ver- wandtschaft zu Menschen sehr hoch zu veranschlagen ist, werden immer wieder herangezogen. Von diesem Bereich der theoretischen Psychologie unterscheidet sich die Ange- wandte Psychologie, die in unterschiedlicher Weise versucht, theoretische psychologi- sche Erkenntnisse für praktische Zwecke verwertbar zu machen. Zu denken ist hier an das breite Spektrum psychologischer Tests sowie an die klinische und an die Notfall- psychologie. GrundlaGEn Wilhelm Wundt (1832–1920) William James (1842–1910) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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