Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

51 wir das aber nicht. So können wir beispielsweise als bekannt voraussetzen, um welchen Gegenstand es sich bei einem Sessel handelt. Die Leerstellen werden von den Leserinnen/Lesern ganz automatisch ergänzt, indem sie in ihrem Gedächtnis nach Inhalten suchen, mit denen sie die Leerstellen füllen können, so wie Sie oben das Fragezeichen durch einen Buchstaben ersetzt haben. Dass es auf dieser Basis auch unschwer möglich ist, bewusst falsche Fährten zu legen, liegt ebenfalls auf der Hand. Je geringer die Aufmerksamkeit der/des Leserin/Lesers, desto leichter fällt das. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Haben Sie auf der Seite davor die richtigen Buchstaben ergänzt? Ohne zu zögern? Vergleichen Sie Ihre Erfahrungen mit denen Ihrer/Ihres Sitznachbarin/Sitznachbarn! „Nicht-Gesagt“ bedeutet, dass es sich nicht an der Oberfläche, auf der Ebene des Ausdrucks manifestiert, und doch ist es gerade dieses Nicht-Gesagte, das auf der Artikulationsebene des Inhalts aktualisiert werden muss. Zu diesem Zweck bedarf es bei jedem Text […] der aktiven und bewusst kooperativen Schritte des Lesers. […] Der Text ist also mit Leerstellen durchsetzt, mit Zwischenräumen, die ausge- füllt werden müssen; und wer den Text sendet, geht davon aus, dass jene auch ausgefüllt werden. Umberto Eco: Lector in fabula (2. Aufl. 1994), S. 62 f. Der Semiotiker Umberto Eco weist auf die Relevanz von Modell-Leserinnen/Lesern für jede Form der Textproduktion hin. Verfasser/innen von Texten stellen sich beim Schreiben ganz automatisch Personen vor, die den Text auch nachvollziehen, eben lesen können sollen. Dementsprechend gestalten sie Voraussetzungen und Schwierig- keitsgrad der Lektüre. Ohne Mitarbeit der Leser/innen ist keine Lektüre möglich – werden die Leerstellen nicht gefüllt, bleibt jeder Text unlesbar. In Texten, Bildern oder Gesprächen kann auch ganz gezielt mit Anspielungen gearbei- tet werden. Dies passiert auch ständig, insbesondere wenn es um die Vermittlung von politisch problematischen oder stark umstrittenen Botschaften geht. Die Anhänger/ innen einer bestimmten Ideologie oder Weltanschauung verstehen schlüpfrige, rassistische oder sexistische Anspielungen recht gut, während es Kritikerinnen/ Kritikern nicht möglich sein soll, die Sprecher/innen auf irgendeine vorwerfbare Aussage festzulegen. Diese hätten es so ja gar nicht gesagt. Eine kritische Auseinan- dersetzung bleibt dennoch möglich, wenn die Anspielung aus dem tatsächlich Gesagten und dem Kontext für durchschnittliche Empfänger/innen nachvollziehbar erschlossen werden kann. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Manche Texte verlangen mehr, manche weniger Mitarbeit der Leser/innen. Geben Sie Beispiele und stellen Sie diese in einem Schaubild dar! 1 AuSFüHrunG Umberto Eco (geb. 1932) úú Kapitel 7.2.6 VErTiEFunG 2 Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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