Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
53 Der Kunsthistoriker Ernst Gombrich beschreibt hier anschaulich den Umstand, dass und wie intensiv unsere Erwartungen unsere Wahrnehmung bestimmen. Dies gilt nicht allein im Zusammenhang mit Kunst, sondern im gesamten Alltagsleben. Auch Erfahrungen prägen künftige Wahrnehmungen; wer einmal finanziellen Schaden erlitten hat, weil der/die Bankberater/in ihn/sie schlecht beraten hat, wird unter Umständen allen Bankberaterinnen/Bankberatern mit größtem Misstrauen begegnen, selbst wenn diese in bester Absicht handeln. Womöglich geht dies so weit, dass er/sie selbst dann noch Betrug wittert, wenn er/sie hört, dass jemand mit einem vorgeschla- genen Anlagemodell Gewinn macht: „Bloß ein Ablenkungsmanöver“, mag er/sie dann denken oder sogar laut sagen, „das dicke Ende kommt noch“. Unser gesamtes Kontextwissen, sei es kulturell erlernt oder aus persönlichen Erfahrungen gewonnen, gestaltet unsere Wahrnehmungen. Kognitionspsychologisch lässt sich dies auch damit begründen, dass das Gehirn die Vielzahl von Sinnesreizen, die es aufnimmt, nicht einzeln verarbeitet, sondern zu spezifischen Mustern verbindet. Diese Muster hängen nicht vom einzelnen Sinnesreiz ab, sondern davon, welche Verbindungen bereits vor dessen Einlangen hergestellt worden sind. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Grenzen Sie durch Erfahrungen geprägte Wahrnehmungen und Vorurteile begrifflich voneinander ab! 2.3 Mediale Weltwahrnehmung Die Welt, in der sich die meisten von uns bewegen, ist in hohem Maße von Bildern, Klängen und Meinungen geprägt, die durch sogenannte Massenmedien geschaffen und verbreitet werden. Im urbanen Bereich gibt es nur wenige Flächen, an denen keine Werbebotschaften zu finden sind; Fernsehen und Radio sind ständige Begleiter in den meisten Lebenslagen, und viele von uns sind fast rund um die Uhr online. Mit den Programmen, Bildern und Klängen, die seitens der meisten Massenmedien verbreitet werden, gehen ganz bestimmte Vorstellungen davon einher, wie das Leben von Menschen verlaufen soll, welche Ziele erstrebenswert seien und welche nicht, wie Menschen idealerweise aussehen, sprechen, sich verhalten sollen. Dies erfolgt nicht in Form von Aufrufen oder Vorgaben, die vielleicht mit gesetzlichen Vorschriften vergleichbar wären. Vielmehr wird immer wieder, in teils endlosen Wiederholungen, gezeigt und vorgeführt, worin das richtige und gelungene Leben bestehen soll, wie sich Menschen verhalten, die erfolgreich sind und mit welchen Mitteln sie ihre Ziele erreichen. Von klein auf üben sich Menschen darin, ihr eigenes Verhalten den Vorbil- dern anzugleichen, die ihnen aus dem Fernsehen, dem Internet oder von Plakatflä- chen so vertraut sind. Mehr als soziale Gruppen aus der unmittelbaren Lebenswelt von Menschen spielen für ihre Sozialisation und ihre Wertigkeiten Massenmedien eine zentrale Rolle. TV-Formate, die Castings präsentieren oder in Form von Doku-Soaps scheinbar alltägliche Probleme aufgreifen und Lösungen anbieten, erfreuen sich großen VErTiEFunG Kontextwissen Wissen, das auf einen bestimmten Zusammen hang (Kontext) oder ein gesamtes Wissensgebiet bezogen ist 2 GrundlaGEn Lebenswelt dasjenige, das wir vorfinden, das für unsere Alltagspraxis Selbstver ständliche Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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