Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

61 3.2 Gedächtnis und Erinnern Als Gedächtnis bezeichnen wir die Fähigkeit von Lebewesen, Informationen zu speichern, zu ordnen und auch wieder abzurufen. Gedächtnis hat also mit Informatio- nen zu tun, mit Informationsverarbeitung und mit der Möglichkeit, sich an etwas zu erinnern. Mit dem Erinnern sind allerdings ganz unterschiedliche Prozesse und Abläufe angesprochen. So wird zwischen implizitem und explizitem Gedächtnis unterschieden. Implizites Gedächtnis bedeutet, dass bestimmte Gedächtnisprozesse unbewusst ablaufen und die Ergebnisse schlagartig ins Bewusstsein dringen. Denken Sie an Bilder oder Situationen, bei denen Sie das Gefühl haben, dass irgendetwas nicht stimmt . In weiterer Folge wird Ihnen möglicherweise klar, was es ist: eine offene Wohnungstür, die eigentlich verschlossen sein sollte, ein ungewohntes Geräusch oder ein Geruch, der dort, wo Sie ihn wahrnehmen, nicht hingehört. Hat ihr Gedächtnis derlei Informationen implizit verknüpft, reagieren Sie auch sehr schnell darauf, was mitunter sehr nützlich sein kann. Sie können aber auch auf eine unmittelbare Reak- tion, wie etwa Flucht, verzichten und sich stattdessen erst einmal fragen, ob beispiels- weise die Wohnungstür deshalb offen steht, weil inzwischen jemand anders gekom- men sein könnte, der in derselben Wohnung lebt und dem zuzutrauen ist, dass er die Tür einfach offen stehen lässt. Dann gebrauchen Sie Ihr Gedächtnis explizit , Sie kramen ganz bewusst in Erinnerungen, um ein Problem zu klären. Wir können uns an konkrete Dinge erinnern, unsere Erinnerung kann sich aber auch auf Abläufe beziehen. Im ersten Fall spricht man von deklarativem , im zweiten von prozeduralem Gedächtnis . Das prozedurale Gedächtnis hat damit zu tun, dass wir auch abspeichern und uns später daran erinnern, wie wir Dinge tun. Wenn wir den PIN-Code für den Geldautomaten vergessen haben, kann es nützen, sich einfach hinzustellen und so zu tippen, wie man das immer tut. Die Chancen stehen günstig, dass Sie die richtigen Ziffern eingeben, wenn Sie sich an den genauen Ablauf der Tätigkeit gewöhnt haben ( Habitgedächtnis , von engl. habit , „Gewohnheit“). Dieser Prozess wird auch als Wissenszusammenfügung bezeichnet. Er erleichtert Ihnen das Leben enorm, weil Sie bei häufig ausgeführten Tätigkeiten nicht mehr gezwungen sind, sie jedes Mal schrittweise durchzugehen. Von deklarartivem Gedächtnis wird gesprochen, wenn Inhalte gespeichert und bewusst wiedergegeben werden können. Bei diesen Inhalten kann es sich um solche handeln, die eigenes Erleben betreffen (episodisches Gedächtnis ) oder um solche, die sich auf den Rest der Welt außerhalb der eigenen Person beziehen (semantisches Gedächtnis) . Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Erklären sie in eigenen Worten die Begriffe implizites, explizites, deklaratives und prozedurales Gedächtnis ! Geben Sie jeweils illustrative Beispiele! Die eigenen Erinnerungen werden zu einem späteren Zeitpunkt revidiert. Freud sprach in diesem Zusammenhang von Nachträglichkeit […] Eine frühe Erinnerung nimmt neue Bedeutungen auf und verändert sich im Zuge der persönlichen Rei- fung. […] Inzwischen wird allgemein anerkannt, dass Erinnerungen sowohl verän- derlich als auch kreativ sind. Siri Hustvedt: Die zitternde Frau (4. Aufl. 2010), S. 121 f. GrundlaGEn úú Kapitel 4 1 AuSFüHrunG Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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