Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
64 Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Betrachten Sie das Bild etwa zehn Sekunden lang. Decken Sie es dann ab und beant worten folgende Fragen: Welcher Gegenstand befindet sich im rechten unteren Bildrand? Welches Bauwerk befindet sich auf dem Berg rechts oben? Was hält die Person in der Bildmitte in der Hand? Welche Fahrzeuge sind zu sehen? Von den Wahrnehmungen, die an uns herankommen, verbleibt in unserem psychi- schen Apparat eine Spur, die wir „Erinnerungsspur“ heißen können. Die Funktion, die sich auf diese Erinnerungsspur bezieht, heißen wir ja „Gedächtnis“. Wenn wir Ernst mit dem Vorsatz machen, die psychischen Vorgänge an Systeme zu knüpfen, so kann die Erinnerungsspur nur bestehen in bleibenden Veränderungen an den Elementen der Systeme. Sigmund Freud: Die Traumdeutung (1900; Studienausgabe, 9. Aufl. 1994), S. 514. Sigmund Freud, der gemeinsam mit anderen die Psychoanalyse entwickelt hat, verweist hier auf sein Konzept des psychischen Apparats, den er über die drei Bereiche Vorbewusstes , Bewusstsein und Unbewusstes strukturiert. Wir werden uns damit noch ausführlich beschäftigen. An dieser Stelle ist die später auch in der Gehirnforschung aufgegriffene Idee der Erinnerungsspur wichtig, die gespeicherte Informationen enthält und sich auch verändernd auf den psychischen Apparat auswirkt. Erinnerungen machen etwas mit Menschen (und wohl auch mit anderen Lebewesen), sie lassen sie verändert zurück. Ob das Vergessen eine Kunst ist oder sich von selber einstellt, ist bis heute ungeklärt. Wie es aussieht, hat es nichts damit zu tun, dass die Speicherkapazitäten im Gehirn so begrenzt wären, dass auch einmal Ballast entsorgt werden müsste. Allerdings ist auch hier zu unterscheiden: Gedächtnisinhalte, die noch nicht sehr stabil sind, werden leichter wieder vergessen als solche, die schon sehr stark eingeübt oder durch Verstehensprozesse intensiv durchdrungen sind. Was Sie gleichsam im Schlaf wissen, was also bereits Teil des impliziten Gedächtnisses geworden ist, vergessen Sie vermutlich nie wirklich. Sie können es, sofern das Gehirn keinen organischen Schaden erleidet, immer wieder abrufen. Andere Gedächtnisinhalte verlieren sich schneller, auch wenn Sie hart an ihnen gearbeitet haben. Denken Sie an intensive Prüfungsvor- bereitungen, die doch nichts daran ändern, dass Sie das Gelernte schon eine Woche nach der Prüfung nicht mehr abrufen können. Längerfristig wirksam sind daher längere, kontinuierliche Lernprozesse. Setzen Sie sich mit einem Lernstoff über ein Jahr verteilt immer wieder auseinander, so haftet er besser im Gedächtnis, als wenn Sie sich ein paar Wochen lang noch so intensiv damit beschäftigen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Geben Sie Freuds Überlegungen zu Erinnerungsspur und Gedächtnis mit eigenen Worten wieder! Was merken Sie sich leicht, was schwer? Erstellen Sie eine Liste! Bilden Sie dann Gruppen und tauschen Sie Ihre Erfahrungen aus! 1 r AuSFüHrunG Sigmund Freud (1856–1939) úú Kapitel 4 VErTiEFunG 2 3 r Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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