Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

67 3.5 Lernen als Konditionierung Wenn Lernen primär oder sogar allein als Erweiterung der Verhaltenspotentiale aufgefasst wird, kann der Versuch unternommen werden, gleich direkt auf den Verhaltensbereich einzuwirken. Die gängigen Lerntheorien bewegen sich großteils in diesem Bereich. Weil die dazu entwickelten lernpsychologischen Überlegungen sehr stark von verhaltenstherapeutisch orientierten Ansätzen geprägt wurden, ist in diesem Bereich auch das entsprechende Vokabular in Verwendung. Dazu gehört vor allem die zunächst eigentümlich wirkende Rede von Konditionierung . Das Wort ist eine Herleitung aus dem Lateinischen; conditio bedeutet „Bedingung“; das Verb konditionieren wird denn auch im Sinne von bedingen oder anpassen verwendet. Den Ausgangspunkt der Lerntheorien, die auf Konditionierung setzen, bildete eine Beobachtung des Physiologen Iwan Pawlow. Eher zufällig entdeckte Pawlow bei Untersuchungen zu Verdauungsprozessen bei Hunden, dass der Speichelfluss durch äußere Reize (Stimuli), die an sich nichts mit der Nahrungsaufnahme zu tun haben, beeinflusst werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Hund, mit dem der Versuch durchgeführt wird, einen Zusammenhang zwischen dem Reiz (z. B. Läuten eines Glöckchens) und dem Angebot von Nahrung herstellt, weil er eben immer dann Futter bekommt, wenn der Reiz einsetzt. Im Lauf der Zeit gewöhnten sich die Hunde so stark an den Reiz, dass sie auch dann Speichel produzierten, wenn sie gar kein Futter bekamen. Bei dieser Form der Konditionierung löst ein an sich neutraler Reiz irgendwann eine bestimmte Reaktion aus. Diese kann, wie weitere Versuche gezeigt haben, auch durch ähnliche Reize ausgelöst werden, etwa durch einen ähnlichen Klang. In diesem Zusammenhang wird auch von Reizgeneralisierung gesprochen. Um die beschriebene Wirkung zu erzielen, muss der Reiz aber auch eine verlässliche Vorhersage ermögli- chen. Zudem muss er, um zu funktionieren, informativ sein; ein Reiz kann nur konditio- nierend wirken, wenn er deutlich von anderen unterschieden werden kann. Wird der Klang etwa ab irgendeinem Zeitpunkt mit einem Lichtsignal kombiniert, das später GrundlaGEn úú Kapitel 1.3.2 Iwan Pawlow (1849–1936) 1. Vor der Konditionierung Unkonditionierte Reaktion Unkonditionierte Reiz Reaktion Futter Futter 2. Vor der Konditionierung Keine konditionierte Reaktion Neutraler Reiz Reaktion Glöckchen Glöckchen 3. Während der Konditionierung Unkonditionierte Reaktion Reaktion 4. Nach der Konditionierung Konditionierte Reaktion Konditionierter Reiz Reaktion Glöckchen Klassische Konditionierung Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags ö v

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