Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
75 Der Neurologe und Neurowissenschafter Eric Kandel verweist hier auf die vielfältigen kreativen Potentiale des Gehirns – und damit zugleich des Menschen. Auch der Aspekt der Intuition (plötzliche Eingebungen) ist hier angesprochen – allerdings nicht in einem mystischen oder esoterischen Sinn. Vielmehr geht es darum, dass sich im Unbewussten Erkenntnisprozesse vollziehen, die eine Vielzahl von Informationen vernetzen, ohne dass uns dies bewusst würde, und Schlussfolgerungen daraus ziehen, die als plötzliche und unerwartete Einsichten an die Oberfläche des Bewusstseins dringen. Zweifellos sollte ein Phänomen nicht unterschlagen werden, das man als außerge- wöhnliche Kreativität bezeichnen kann. In der Tat gibt es Menschen, die bahnbre- chende wissenschaftliche oder künstlerische Durchbrüche erzielen und Perspektiven nachhaltig verändern. Beispielsweise haben Sigmund Freud und sein Kreis mit ihrem Konzept der Psychoanalyse sowohl die Psychologie als auch die Psychotherapie nachhaltig geprägt. Die Erfindung der Zentralperspektive in der Renaissance hat die Malerei genauso verändert wie die Entdeckung des Penicillins die Medizin. Auch die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von Olympe de Gouges im Jahr 1791 hat die Diskussion um politische Rechte von Frauen nachhaltig geprägt. In all diesen Fällen gehört zum außergewöhnlichen Maß an Kreativität auch eine erhöhte Risikobe- reitschaft. Immerhin schafft jemand, der gegen vorherrschende Überzeugungen und Gebräuche angeht, Irritationen. Motiviert werden außergewöhnlich kreative Men- schen meist durch die Befriedigung und Freude, die sie aus ihren Tätigkeiten ziehen (intrinsische Motivation) . Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Suchen Sie gemeinsam mit Ihrer/Ihrem Sitznachbarin/Sitznachbarn nach einer Person mit außergewöhnlicher Kreativität (im Internet, Ihrem gemeinsamen Bekanntenkreis, Ihrer Schule)! Stellen Sie die Person mit ihren kreativen Leistungen auf einem Plakat vor und präsentieren Sie dieses in der Klasse! 4.2 Intelligenz Kreativität hat viel mit dem zu tun, was wir als Intelligenz bezeichnen. Was genau unter Intelligenz zu verstehen sei, ist allerdings durchaus umstritten. Lange Zeit war die Auffassung vorherrschend, dass Intelligenz nach allgemeinen, für alle Menschen feststehenden Kriterien definiert und ermittelt werden könne. Dieses Modell wird meist mit dem Psychologen Charles Edward Spearman in Verbindung gebracht, auf dessen Theorien das Konzept des Generalfaktors der Intelligenz (g-Faktor) zurückgeht. Dabei wird angenommen, dass es eine allgemeine Intelligenz gibt, die wichtiger wäre als spezielle, bereichsspezifische Intelligenzformen. Damit zusammen hängt auch die Vorstellung, dass sich Intelligenz messen lasse, und zwar in Form von sogenannten Intelligenztests. Je höher der auf diese Weise ermittelte Intelligenz-Quotient (IQ), desto höher ist nach weit verbreiteter Ansicht auch die Prognostizierbarkeit von Schul-, Universitätsnoten und späterem beruflichen Erfolg. Eric Kandel (geb. 1929) VErTiEFunG 2 r GrundlaGEn Intelligenz von lat. intellegere , „wahrnehmen, erkennen“; besondere (meist) geistige Fähigkeit Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv
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