Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

78 werden. Kinder erlernen auch Verhaltensweisen, Erfahrungswerte und Perspektiven ihres Umfelds, zunächst insbesondere durch Nachahmung. Fähigkeiten und Fertigkei- ten, die zur Lösung von Intelligenztestaufgaben erforderlich sind, können daher gleichermaßen ererbt wie erworben worden sein. Im Einzelnen lässt sich dies oft schwer entscheiden. Werden Intelligenztests nun überbewertet und wird zugleich von einer rein geneti- schen Grundlage von Intelligenz ausgegangen, so kann dies sehr unangenehme Folgen für Einzelne haben. Unter Umständen werden Kinder mit relativ niedrigem IQ dann weniger gefördert als solche mit höherem IQ. Werden sie zudem ganz allgemein als dumm, unbegabt und dergleichen mehr abgewertet, sehen sie sich vielleicht irgendwann selber so und bemühen sich gar nicht mehr, ihre intellektuellen Fähigkei- ten zu entfalten oder zu erweitern. Dass daraus umfassender Misserfolg in allen Lebenslagen folgen kann, ist leicht nachzuvollziehen. Die ursprüngliche Bewertung des Intelligenztests erwiese sich als selbsterfüllende Prophezeiung (self fullfilling prophecy) und die Umwelt hätte doch einen erheblichen Anteil am tatsächlichen Ausmaß von Intelligenz und Erfolg eines Menschen. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Nennen Sie die Möglichkeiten und Probleme einer speziellen Förderung von Kindern aufgrund ihrer Ergebnisse in Intelligenztests! Was sollte Ihrer Ansicht nach gefördert werden: Intelligenz oder intelligente Kinder? Oder etwas anderes? Diskutieren Sie gemeinsam! Wenn die Kinder hispanischer Immigrant/innen zur Schule gehen, führt die Beto- nung des sprachlichen Verstehens gegenüber dem Sprechen oder die Betonung der Autorität der Lehrerin / des Lehrers gegenüber dem Ausdruck eigener Meinungen zu einer negativen schulischen Beurteilung […]. Insofern wird eine Art der Kom- munikation – respektvolles Zuhören –, die innerhalb einer Kultur geschätzt wird, zur Basis einer ziemlich umfassenden negativen Beurteilung in der schulischen Umgebung, in der das Sprechen als Ausdruck einer selbstsicheren Persönlichkeit die geschätzte Kommunikationsart ist. Patricia Marks Greenfield: You can’t take it with you: Why ability assessments don’t cross cultures. In: American Psychologist 52 (1997), S. 1120. Die Psychologin Patricia Marks Greenfield verweist hier auf den Zusammenhang zwischen kulturellen Vorgaben und schulischem Erfolg. Wer ein Sprech- und Sozialver- halten an den Tag legt, das nicht den vorherrschenden sozialen Normen ihres oder seines schulischen Umfelds entspricht, läuft leicht Gefahr, schlechte Noten zu bekom- men. Die angeblich hohe Validität von Intelligenztests im Hinblick auf Schulnoten findet hier ein Gegenargument, das auf viele Situationen angewendet werden kann. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Varianzbreite bei Schulnoten je nach Lehrer/in für ein und denselben Aufsatz bekanntermaßen ziemlich groß ist. Aber vielleicht stimmt es milder, wenn man annimmt, eine/n besonders intelligente/n Schülerin/ Schüler vor sich zu haben? 1 2 t AuSFüHrunG Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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