Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]
79 1994 erschien ein in der Folge sehr heftig diskutiertes Buch des Psychologen Richard Herrnstein und des Politikwissenschafters Charles Murray: „The Bell Curve“. Ausge- hend von herkömmlichen Intelligenztests, die auf dem Konzept des g-Faktors basier- ten, gelangten sie zu der These, dass Intelligenz fast ausschließlich auf genetischen Faktoren gründe. Die solchermaßen vererbte Intelligenz setzten sie in enge Bezie- hung zu ökonomischen Lebensverhältnissen. Intelligente Menschen würden regelmä- ßig in höhere soziale Schichten aufsteigen, weniger intelligente Menschen hingegen absteigen. Dass hier womöglich Ursache und Wirkung miteinander verwechselt werden, schien den Autoren nicht plausibel. In weiterer Folge wurde dann auch behauptet, dass es Unterschiede in der Intelligenzverteilung zwischen Ethnien und sogar in Bezug auf die Hautfarbe gäbe. Weiße Amerikaner/innen seien im Durch- schnitt intelligenter als Afroamerikaner/innen. Abschließend empfahlen die Autoren, sozialpolitische Maßnahmen zurückzuschrauben, da sie dazu führen würden, dass Angehörige ärmerer Schichten, die zugleich einen geringeren IQ aufwiesen, die meisten Kinder hätten. Dieses Beispiel macht deutlich, wie aus bereits problemati- schen Grundannahmen fragwürdige Schlussfolgerungen gezogen werden können, die anschließend in reine politische Ideologie münden. Wie immer man zum Thema Intelligenz und Intelligenztests steht: Ein vorsichtiger und differenzierter Umgang damit ist zweifellos angeraten. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Beurteilen Sie folgenden Satz: „Die Diskussion um Intelligenz und Intelligenztests weist immer auch eine politische Dimension auf“! Trifft er zu? Diskutieren Sie gemein sam! 4.4 Denken und Probleme lösen Probleme treten im alltäglichen Leben ständig auf, im wissenschaftlichen und teils auch im künstlerischen Bereich sucht man sie sogar ganz gezielt auf. Es handelt sich um Fragestellungen oder Hindernisse, die gelöst oder überwunden werden müssen, wobei diesem Ziel Schwierigkeiten im Weg stehen. Man kann versuchen, Probleme zu bewältigen, indem man verschiedene Lösungsalternativen einfach ausprobiert. Dieses Versuch-Irrtums-Verfahren (trial and error) kann insbesondere dann Sinn machen, wenn wir wenig Erfahrung mit einer bestimmten Problemlage haben oder uns nichts einfällt. Die Gefahr besteht dabei darin, dass wir weder die Folgen noch die Dauer abschätzen können, die wir für die Problemlösung aufwenden werden müssen. So ist es gefährlich, wenn man mit Gegenständen hantiert, die vielleicht explosiv sind, und es kann sehr langwierig werden, wenn man an einem Puzzle mit 500 Teilen einfach nur mal so herumprobiert. Eine andere Möglichkeit besteht darin, über das Problem nachzudenken. Dabei lässt sich zunächst einmal auf vorhandene Erfahrungen zurückgreifen. Teils genügt dies auch schon: „Als letztes Mal ein Ziegelstein vom Dach gefallen ist, bin ich auf das Dach geklettert und habe den Ziegel wieder eingefügt. Dazu habe ich ein paar Werkzeuge getestet, von denen eines sich als brauchbar erwiesen hat. Wenn wieder ein Ziegelstein vom Dach fällt, kann ich das Verfahren einfach wiederholen.“ Auch VErTiEFunG 3 t GrundlaGEn Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüf wecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=