Psychologie und Philosophie, Schulbuch [Psychologie Teil]

81 Was wir vorhin zum Verhältnis von Problemanalyse, Lösungsziel und Mittel gesagt haben, wirft naheliegende Probleme auf. Diese Probleme sind zunächst einmal ethischer oder moralischer Art. Unter Bezugnahme auf Immanuel Kant versucht etwa die Philosophin Christine Korsgaard diese Schwierigkeit zu umgehen, indem sie ein Kriterium der Vernünftigkeit einführt. Sie geht von der Wahl aus, die ein vernünftiger Mensch treffen würde. Was ein vernünftiger Mensch sei, darüber gingen und gehen die Meinungen zwangs- läufig auseinander. Aber das von Korsgaard und anderen ins Auge gefasste Problem beim Problemlösen ist schon klar: Es stellt sich die Frage, ob alle Mittel gewollt werden können, nur weil sie von einer Problemanalyse zu einem bestimmten Ziel führen. Dabei ist bereits die Analyse des eigentlichen Problems und des gewünschten Lösungsziels alles andere als einfach. Aber selbst wenn beides zufriedenstellend bewältigt wird, kommen vielleicht noch immer nicht alle Mittel, die von A nach Z führen, in Betracht. Der Problemanalyse Ich brauche dringend Geld entspricht etwa die Zielsetzung Ich muss mir rasch Geld beschaffen . Die Mittel können darin bestehen, eine gut bezahlte Arbeit anzunehmen, etwas zu verkaufen oder eine Bank zu überfal- len. Findet sich keine gut bezahlte Arbeit und ist auch nichts zu verkaufen da, reduzie- ren sich die möglichen Mittel drastisch. Ein vernünftiger Mensch im Sinne von Kant und Korsgaard würde trotzdem nicht für den Banküberfall votieren, schon weil er damit andere Menschen zu ausschließlichen Mitteln seiner Zwecke machte, was für Kant und wohl auch Korsgaard unmoralisch wäre. Man könnte ergänzen: Auch rein zweckrational wäre der Operator Banküberfall nicht vernünftig gewählt, weil das Risiko zu hoch ist und die Ergebnisse, die zu erzielen sind, in keinem Verhältnis zu dem gemachten Einsatz (eigenes Leben, das Leben anderer, Risiko einer hohen Freiheitsstrafe) stehen. Eher wäre intensiv darüber nachzudenken, ob es nicht doch noch andere Mittel gibt – oder ob vielleicht das Ziel anders formuliert werden sollte. Anregungen zum selbstständigen Weiterarbeiten Bilden Sie Kleingruppen und diskutieren Sie den Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“ auf der Grundlage des Textes von Korsgaard! Recherchieren Sie den Begriff vernünftig im Internet! Erstellen Sie eine Liste mit Stichwörtern zu unterschiedlichen Bedeutungen! 4.5 Denken und Sprache Dass Sprache mehr ist als bloß eine Vermittlerin des Denkens, ist durch sprachphiloso- phische, sprachwissenschaftliche (linguistische) und semiotische Argumente ausführ- lich erörtert worden. Wir befassen uns mit diesen Argumenten und ihren Grundlagen sehr genau an anderer Stelle. Sprache ist auch kein Transportmittel für außersprachli- che Bedeutungen, weil Bedeutung überhaupt erst in der Sprache entsteht. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht seltsam, ist es bei näherem Hinsehen allerdings nicht mehr. Zunächst einmal sind Bedeutung oder Sinn selbst nur Wörter, die als solche analysiert werden können und müssen. Gedacht ist dabei meist an den eigentlichen úú Kapitel 10 úú Kapitel 6 VErTiEFunG 3 t 4 GrundlaGEn Wahrnehmung und Kognition Wahrnehmung und Kognition 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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